Zehntausende oder sogar 100.000 Tote, völlig zerstörte Straßenzüge in der Hauptstadt Port-au-Prince, Überlebende, die unter freiem Himmel campieren: Dies ist die erste Bilanz zwei Tage nach dem schwersten Erdbeben seit 200 Jahren in Haiti. Darüberhinaus sind große Teile der Infrastruktur des Landes zerstört oder stark beschädigt. Insgesamt könnten nach Ansicht von Experten rund drei der neun Millionen Bewohner Haitis von den Folgen des Erdbebens betroffen sein.
Der Erdstoß um 22.53 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) am 12. Januar 2010 hatte eine Stärke von 7,0 auf der Momentmagnitude. Das Zentrum des Bebens lag nur 15 Kilometer südwestlich von Port-au-Prince.
Ausmaß der Katastrophe noch nicht absehbar
Nach Angaben von Helfern und Politikern ist das ganze Ausmaß der Naturkatastrophe in dem Karibikstaat noch längst nicht absehbar. So sagte Haitis Regierungschef Jean-Max Bellerive gegenüber CNN, dass die Zahl der Toten auch „deutlich über 100.000“ liegen könne. Vor allem aus den Elendsvierteln der Hauptstadt und den ländlichen Regionen fehlen bisher gesicherte Informationen.
„Unsere Hauptstadt hat durch die Bodenerosion keinen stabilen Untergrund. Die auf den Hügeln gebauten Slums sind einfach in einer Schlammlawine komplett abgerutscht“, erklärt Eduard Aimé, ein Augenzeuge des Malteser Hilfsdiensts aus Haiti. Sogar die stabilsten Gebäude wie der Präsidentenpalast, Ministerien oder die Kathedrale seien zerstört, so Aimé weiter.
Derzeit bereiten die Malteser die Ausreise eines medizinischen Teams bestehend aus zwei Ärzten und drei Rettungssanitätern zur Unterstützung der Malteser auf Haiti vor. „Die Kollegen aus Haiti wissen, dass die medizinische Versorgung und auch die Versorgung mit Wasser, das überall verschmutzt ist, jetzt besonders wichtig ist“, so Ingo Radtke, Leiter von Malteser International.
Menschen völlig auf sich allein gestellt
„Ich traf Leute mit abgetrennten Gliedmaßen und offenen Wunden, die auf der Straße verzweifelt auf ärztliche Hilfe warteten. Ein grauenerregender Anblick. Die Menschen sind im Moment auch völlig auf sich allein gestellt, weil auch die, die helfen könnten, betroffen sind. Wir sind ja alle auch selbst Opfer. Wir haben viele Mitarbeiter, die auch nicht wissen, ob ihre Familien leben und die sich aufgemacht haben, um sie zu suchen“, beschreibt Michael Kühn von der Deutschen Welthungerhilfe in einem Beitrag für die „Tagesschau“ die Situation vor Ort. Die Welthungerhilfe hatte bereits gestern 100.000 Euro für die Opfer des schweren Erdbebens in Haiti bereitgestellt.
Wasser, Medikamente, Unterkunft
Auch das Nothilfeteam von CARE bereitet sich derzeit auf erste Hilfsmaßnahmen für Betroffene des Erdbebens vor. „Wichtig ist jetzt vor allem, die Menschen schnell zu erreichen. Sie brauchen dringend Trinkwasser, Medikamente und eine sichere Unterkunft“, sagte Anton Markmiller, Hauptgeschäftsführer von CARE Deutschland-Luxemburg. „Da aber generell die Kommunikation zusammengebrochen ist, haben wir Schwierigkeiten, unsere Mitarbeiter zu erreichen“, so Markmiller weiter.
Am heutigen Donnerstag bricht zudem ein Schnell-Einsatz-Team Wasser Ausland (SEEWA) des Technischen Hilfswerks (THW) nach Haiti auf. Die insgesamt zehn Experten für Trinkwasser und Infrastruktur führen mobile Trinkwasseraufbereitungsanlagen, mobile Labore für Wasseranalysen und Ausstattung für die Reparatur von Wasserinfrastruktur mit. Die Aufbereitungsanlagen können rund 6.000 Liter Trinkwasser in der Stunde produzieren und damit bis zu 30.000 Menschen mit Wasser versorgen. Weitere Einsatzoptionen werden die THW-Experten vor Ort erkunden.
Bundesregierung stellt eine Million Euro Soforthilfe zur Verfügung
Auf politischer Ebene sind ebenfalls bereits viele Hilfsmaßnahmen angelaufen. So hat die Bundesregierung eine Million Euro für die Notversorgung der Opfer in Haiti zur Verfügung gestellt. „Ich bin bestürzt von dem sich abzeichnenden Ausmaß der Erdbebenkatastrophe. Unser Mitgefühl und unsere ganze Solidarität gilt den Opfern der Katastrophe und ihren Angehörigen. Die Bundesregierung wird der Republik Haiti mit jeder möglichen Hilfe zur Seite stehen“, erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Auch die Vereinten Nationen, und die EU sagten dem krisengeschüttelten Land ihre Unterstützung zu.
Unser Special zum Erdbeben in Haiti finden Sie hier
(CARE/Welthungerhilfe/Auswärtiges Amt/Technisches Hilfswerk, 14.01.2010 – DLO)