Schon lange vor der Industrialisierung hat der Mensch das Klima beeinflusst. Indem er Wälder in Ackerland umwandelte, erhöhte er den CO2-Gehalt der Atmosphäre deutlich. Wie sehr, zeigt jetzt eine neue Studie im Fachmagazin „Global Biogeochemical Cycles“: Danach war schon um 1850 ein Drittel des bis heute durch Landnutzung freigesetzten Kohlenstoffs in der Luft – quasi ein „kleiner Klimawandel“.
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Zum ersten Mal nutzten die Klimaforscherin Julia Pongratz und ihre Kollegen am Max-Planck-Institut für Meteorologie am KlimaCampus der Universität Hamburg ein Modell, mit dem sich der globale Kohlenstoffkreislauf des letzten Jahrtausends berechnen lässt. Dieses Modell verknüpften sie mit einer Weltkarte der Landnutzung. In einer früheren Arbeit hatte die Wissenschaftlerin die Umgestaltung der gesamten Erdoberfläche durch Ackerbau und Weidewirtschaft rekonstruiert – und zwar für das komplette vergangene Jahrtausend.
53 Gigatonnen Kohlenstoff bis 1850
Ergebnis: Ein Drittel des bis heute durch Landnutzung freigesetzten Kohlenstoffs entstand bereits in den Jahren 800 bis 1850. Diese 53 der bis heute 161 Gigatonnen Kohlenstoff, die durch Ackerbau und Rodung freigesetzt wurden – Effekte durch fossile Verbrennung wurden in der Studie nicht berücksichtigt -, konnten schon damals die Zusammensetzung der Atmosphäre beeinflussen und den CO2-Gehalt erhöhen.
Gleichzeitig machen diese frühen Emissionen einen substanziellen Anteil an den Gesamtemissionen des Menschen (inklusive fossiler Verbrennung) aus – bis heute etwa 320 Gigatonnen Kohlenstoff.
Kohlenstoffkreislauf früh vom Menschen beeinflusst
Viele Klimastudien gehen davon aus, dass die CO2-Emissionen erst mit Beginn des Industriezeitalters einsetzen. Pongratz‘ Arbeit belegt jedoch, dass zu diesem Zeitpunkt der Kohlenstoffkreislauf schon deutlich von Menschenhand beeinflusst war – die Industrialisierung kann also nicht mehr als Referenzpunkt „Null“ für die Kohlenstoffbilanz gelten.
Anders als heute, bewirkte der „kleine Klimawandel“ bis 1850 jedoch keine globalen Temperaturänderungen, so die Wissenschaftler. Der langsame Anstieg über eine lange Zeitspanne erlaubte ein besseres Ausbalancieren von Kohlenstoffaufnahme und -abgabe.
Pest beeinflusst Klima
„Noch nie konnte der Einfluss des Menschen auf das vorindustrielle Klima so detailliert beschrieben werden“, sagt Pongratz. „Erstmals konnten wir zum Beispiel auch rechnerisch prüfen, ob bestimmte historische Ereignisse das Gesamtklima beeinflussten.“ So fand die Klimaforscherin heraus, dass die Pest, der Fall der Ming-Dynastie und die Invasion der Mongolen lokal zu deutlich weniger Kohlenstofffreisetzung führten. Weniger Menschen, weniger Ackerbau und die natürliche Renaturierung entvölkerter Flächen konnten hier lokal die Emissionen bremsen.
Aber nur der Einfall der Mongolen in China, der mehr als hundert Jahre dauerte, wirkte lang genug, um eine Umkehr der Verhältnisse zu bewirken: Nur dieses Ereignis führte unterm Strich dazu, dass lokal eine Kohlenstoffsenke entstehen konnte. Doch auch dieser Effekt blieb nach Angaben der Wissenschaftler örtlich begrenzt und hatte auf die steigenden Kohlenstoff-Emissionen des Mittelalters global keinen Einfluss.
(idw – Universität Hamburg, 02.09.2009 – DLO)