Ein internationales Forscherteam hat die letzten weißen Flecken auf der Karte der Milchstraße getilgt. Ihre neue Karte beschreibt erstmals die dreidimensionale Verteilung des Gases in unserer Heimatgalaxie und zeigt, wie sich die Spiralarme aus Sternen, Gasnebel und Staubwolken über die ganze Milchstraße verteilen. Die Wissenschaftler berichten über ihre Arbeit in der aktuellen Ausgabe des „Astrophysical Journal“.
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Typische Spiralstruktur
Die Milchstraße ist die am genauesten untersuchte Galaxie des Universums. Viele Detailbeobachtungen sind nur dort möglich, weil andere Galaxien für genaue Untersuchungen zu weit entfernt sind. Daher ist unsere Heimatgalaxie auch immer für die Interpretation von Beobachtungen in anderen Galaxien wichtig.
Heute wissen die Astronomen, dass die Sterne in der Milchstraße wie eine Scheibe verteilt sind, die im Zentrum eine balkenförmige Verdickung aufweist. Außerhalb dieses zentralen Bereichs ordnen sich die Sterne in der Scheibe vorzugsweise entlang von „Spiralarmen“ an. Diese machen die typische, aus Bildern bekannte Spiralstruktur von der Milchstraße ähnlichen Galaxien aus.
Beschreibung war bisher immer unvollständig
Astronomen teilen diese Galaxien in bestimmte Typen ein, wodurch es möglich wird, ähnliche Galaxien statistisch zu untersuchen. Diesen Typ und die genaue Spiralarmstruktur auch für die Milchstraße zu bestimmen, erweist sich jedoch als schwierig. Bestimmungen des Verlaufs der Spiralarme waren bisher immer unvollständig, insbesondere im Zentrum und jenseits davon.
Mit einer neuen Methode ist es den Astrophysikern der Universitäten Bochum, Zürich und Iowa jetzt gelungen, die letzten weißen Flecken auf der Karte unserer Heimatgalaxie zu beseitigen.
Indirekt auf Spiralarme schließen
Die neue Karte der Spiralarmstruktur basiert auf einem bereits mehrere Jahre alten Modell aus den Doktorarbeiten von Nicolai Bissantz, Universität Bochum, und Peter Englmaier, Universität Zürich, das wiederum auf den Infrarotdaten der NASA beruht.
„Damals wollten wir vor allem die Existenz des Balkens beweisen und damit die beobachtete Gaskinematik im Zentrum erklären“, sagt Englmaier. Schon in diesem frühen Modell gab es jedoch Spiralarme, die vom Balken in der Scheibe angetrieben wurden. Die Spiralarme kann man nicht direkt sehen, sondern nur indirekt auf ihre Lage schließen, weil die Sonne sich mit den anderen Sternen innerhalb der Scheibe um das Zentrum bewegt.
Gasgeschwindigkeit berechnen
Das zwischen den Sternen der Milchstraße verteilte dünne Gas kann mit Radioteleskopen beobachtet werden und die Doppler-Verschiebung des Lichts erlaubt es, die Geschwindigkeit des Gases zu bestimmen. Das Problem ist: Gaswolken aus verschiedener Entfernung tragen zum Signal bei, und es ist im Detail nicht bekannt, wie weit die einzelnen Gaswolken entfernt sind.
Nimmt man Kreisbahnen für die Gaswolken an, kann man das Signal in einzelne Wolken zerlegen und einer kinematischen Entfernung zuordnen. Das Problem mit dieser Methode ist jedoch, dass sich das Gas nicht auf Kreisbahnen bewegt, insbesondere nicht in der Nähe des Balkens.
Modell stimmt mit Beobachtungen überein
Englmaier und Bissantz ist es nun zusammen mit Martin Pohl von der Iowa State University gelungen, das kinematische Modell mit Balken auch für die kinematische Entfernungsbestimmung zu verwenden. Sie konnten mit diesem Modell die Gasverteilung im Zentrum der Milchstraße, wo sich das Schwarze Loch befindet, sehr gut beschreiben, und diese Verteilung stimmt mit unabhängigen Arbeiten anderer Wissenschaftler überein.
Ausgehend von den Balkenenden zeigt die Karte zwei Spiralarme, die sich kurz vor dem Erreichen der Sonnenbahn in vier Arme aufspalten und sich dann bis zum Rand der Scheibe fortsetzen. Erstmals wurden damit die Spiralarme über die ganze Milchstraße verteilt bestimmt.
Erleichternde Entdeckung
Neben den zwei inneren Armen existieren noch zwei schwächer ausgeprägte Arme, die bei circa 10.000 Lichtjahren Entfernung vom Zentrum enden. Der nähere der zwei Arme ist schon länger bekannt. Er war lange Zeit ein Rätsel, weil seine gemessene Geschwindigkeit große Abweichungen von der Kreisbahnbewegung zeigt. Die Forscher konnten dies nun mit ihrem Modell als Störung der Bahnen durch den Balken erklären.
Der von der Erde weiter entfernte und symmetrisch gelegene Arm wurde erst kürzlich in den Gasdaten aufgespürt. Die Entdeckung dieses zweiten Arms ist eine große Erleichterung für die Forscher: „Endlich ist damit klar geworden, dass unser Modell im Prinzip korrekt und die innere Galaxie ziemlich symmetrisch aufgebaut ist“, so Englmaier.
Nach Angaben des Astronomen interessieren sich bereits andere Wissenschaftlergruppen für die neue Karte. Ein Team aus Frankreich hofft, mit ihr der Dunklen Materie auf die Spur zu kommen.
(idw – Ruhr-Universität Bochum/Universität Zürich, 07.01.2009 – DLO)