Zahlreiche verheerende tropische Wirbelstürme und das Erdbeben in der zentralchinesischen Provinz Sichuan haben 2008 zu einem der schlimmsten Naturkatastrophenjahre überhaupt gemacht. Weltweit kamen nicht nur mehr als 220.000 Menschen durch die Naturereignisse ums Leben, die gesamtwirtschaftlichen Schäden betrugen auch rund 200 Milliarden US-Dollar – nur geringfügig weniger als im Rekordjahr 2005 (232 Milliarden US-Dollar). Diese Bilanz hat jetzt die Münchener Rück vorgelegt.
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Zudem stiegen die versicherten Schäden 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent auf 45 Milliarden US-Dollar. Das ist erstaunlich, da die Anzahl der schadenrelevanten Ereignisse im Vergleich zum Vorjahr insgesamt zurückging (von 960 auf 750). Einzelne Katastrophen trieben aber die Opferzahlen und die Schäden nach den Ergebnissen der Münchener Rück deutlich nach oben.
Langfristiger Trend setzt sich fort
Vor allem Wetterkatastrophen machten 2008 gemessen an inflationsbereinigten Werten zum Jahr mit den dritthöchsten Schäden, nur noch übertroffen vom Hurrikanjahr 2005 und 1995, als sich das Erdbeben von Kobe (Japan) ereignete.
„Damit setzt sich der von uns beobachtete langfristige Trend fort: Der Klimawandel hat bereits eingesetzt und trägt mit großer Wahrscheinlichkeit zu immer häufigeren Wetterextremen und dadurch bedingten Naturkatastrophen bei. Diese wiederum richten immer größere Schäden an, da weltweit auch die Wertekonzentration in risikoexponierten Gegenden, etwa an den Küsten, weiter steigt“, kommentierte Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Münchener Rück, die neuen Zahlen.
„2008 hat wieder gezeigt, wie wichtig es für uns ist, Risiken wie den Klimawandel in allen Facetten zu analysieren und das Geschäft entsprechend zu steuern“, so Jeworrek weiter.
Zyklon Nargis und das Sichuan-Erdbeben
Asien war 2008 erneut der von den schlimmsten humanitären Katastrophen betroffene Kontinent. Allein durch den Zyklon Nargis kamen in Myanmar wahrscheinlich mehr als 135.000 Menschen ums Leben. 85.000 Tote wurden inzwischen offiziell bestätigt, 54.000 gelten immer noch als vermisst. Der Tropensturm sorgte mit sehr hohen Windgeschwindigkeiten, Rekordregenfällen und einer Sturmflut vor allem im tief liegenden Irrawaddy-Delta und in der ehemaligen Hauptstadt Rangoon für Verwüstungen.
Da in den letzten Jahren große Teile der Mangrovenwälder – ein natürlicher Küstenschutz – verschwunden sind, konnte die Sturmflut laut der Münchener Rück bis zu 40 Kilometer ins Landesinnere vordringen. Das Land stand bis zu dreieinhalb Meter unter Wasser, mehr als eine Million Einwohner Myanmars wurden obdachlos.
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Eine andere humanitäre Katastrophe war das Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan, die als sehr erdbebengefährdet gilt. Die offizielle Statistik weist rund 70.000 Tote aus, 18.000 Menschen werden immer noch vermisst, 374.000 wurden verletzt und fast fünf Millionen obdachlos. Das Sichuan-Beben im Mai verursachte gleichzeitig den größten gesamtwirtschaftlichen Einzelschaden des Jahres 2008, der sich auf rund 85 Milliarden US-Dollar summiert. Damit ist dieses Erdbeben nach dem Erdbeben von Kobe (Japan, 1995) das bisher zweitteuerste.
Für enorme Schäden hatte in China zuvor schon eine ungewöhnliche Kältewelle mit gewaltigen Schnee- und Eismengen gesorgt, die mit mehr als 21 Milliarden US-Dollar zu Buche schlug. Eis und Schnee trafen dabei die Infrastruktur in 18 Provinzen hart, Straßen und Schienenwege wurden blockiert und teilweise zerstört, die Stromversorgung kam zum Erliegen.
30 Milliarden US-Dollar Schaden durch Hurrikan Ike
Gemessen an den versicherten Schäden war Hurrikan Ike nach den Berechnungen der Münchener Rück das teuerste Einzelereignis im Jahr 2008. Während in den beiden Vorjahren das US-Festland von schweren Wirbelstürmen weitgehend verschont geblieben war, sorgten Hurrikane in diesem Jahr für erhebliche Schäden auch für die Versicherungswirtschaft. Gleich sechs tropische Wirbelstürme nacheinander – Dolly, Edouard, Fay, Gustav, Hanna und Ike – erreichten 2008 die US-amerikanische Küste. Der schwerste davon war Ike, der als Kategorie-2-Hurrikan bei Galveston (Texas) aufs Festland zog. Die Sturmflut, die Ike auslöste, setzte große Abschnitte der Küste von Texas und Louisiana unter Wasser.
Auch auf seinem weiteren Weg über Land verursachte der Sturm nach Angaben der Münchener Rück durch extreme Niederschläge größere Schäden, sodass bisher von einem versicherten Schaden von 15 Milliarden US-Dollar (ohne die Schäden, für die das National Flood Insurance Program aufkommt) ausgegangen wird. Der gesamtwirtschaftliche Schaden durch Ike beträgt demnach sogar rund 30 Milliarden US-Dollar.
Mehr tropische Wirbelstürme
Die Anzahl tropischer Wirbelstürme im Nordatlantik lag 2008 nach den Erkenntnissen der Versicherungsexperten deutlich über dem langfristigen Durchschnitt und auch über dem Mittelwert der seit 1995 anhaltenden Warmphase, die durch den Klimawandel verstärkt ausfällt. Insgesamt wurden 16 tropische Wirbelstürme gezählt, der bisherige Durchschnittswert der Warmphase lag bei 14,7. Acht der Stürme erreichten sogar Hurrikan-Stärke, von denen fünf in die Kategorie der schweren Hurrikane (Stärke 3-5) eingestuft wurden. Damit war die Hurrikan-Saison gemessen an der Gesamtzahl der Stürme – aber auch an der Zahl der schweren Hurrikane – die viertstärkste, seitdem es verlässliche Daten darüber gibt.
Auch die Tornado-Saison in den USA, die sich von April bis September erstreckt, verlief, so die Münchener Rück, ungewöhnlich heftig. Insgesamt gab es 2008 rund 1.700 Tornados, die in der Summe einen Schaden von mehreren Milliarden US-Dollar anrichteten.
Schadenstatistik bestätigt Klimamodelle
Nach einer vorläufigen Einschätzung der World Meteorological Organisation (WMO) war 2008 das zehntwärmste Jahr seit Beginn der routinemäßigen Temperaturmessungen, auf der Nordhalbkugel das achtwärmste. Damit fallen die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der systematischen Messung in die vergangenen zwölf Jahre.
„Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die vom Menschen emittierten Treibhausgase die Ursache für die fortschreitende Erwärmung der Atmosphäre. Die Logik ist klar: Steigende Temperaturen bedeuten mehr Verdunstung und eine höhere Aufnahmekapazität der Atmosphäre für Wasserdampf und damit einen größeren Energieinhalt. Die Wettermaschine läuft auf höheren Touren, es kommt zu intensiveren Unwetterereignissen mit entsprechenden Folgen auf der Schadenseite“, sagt Professor Peter Höppe, Leiter der GeoRisiko-Forschung der Münchener Rück.
Und weiter: „Für die zunehmenden Starkniederschlagsereignisse in vielen Regionen der Erde, die Hitzewellen und die Hurrikane im Nordatlantik ist der Zusammenhang bereits heute wahrscheinlich. Die Schadenstatistik des Jahres 2008 passt in das Muster, das man aus den Berechnungen der Klimamodelle erwarten muss.“
Europa kommt glimpflich davon
Verglichen mit den gewaltigen Naturkatastrophen in Asien und Amerika kam Europa 2008 laut der Bilanz der Münchener Rück glimpflich davon. Dennoch gab es auch hier zwei Ereignisse, die für große Schäden sorgten. So rauschte Orkantief Emma Anfang März über weite Teile Mitteleuropas hinweg und verursachte durch sehr hohe Windgeschwindigkeiten, Gewitter und Hagel in Deutschland, Dänemark, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, der Schweiz und Österreich einen Gesamtschaden von zwei Milliarden US-Dollar.
Das Unwetter-Tief Hilal, das von Ende Mai bis Anfang Juni über Südwest-Deutschland (insbesondere Baden-Württemberg) zog, richtete durch starke Böen, Hagel und sturzflutartige Überschwemmungen ebenfalls schwere Schäden an. Mit einem versicherten Schaden von 1,1 Milliarden US-Dollar war Hilal die siebtteuerste Naturkatastrophe in der globalen Statistik für dieses Jahr.
„Für uns als führender Rückversicherer haben sich aus den Naturkatastrophen-Trends der vergangenen Jahre drei Handlungsstrategien ergeben, die wir konsequent verfolgen. Erstens: In unserem Kerngeschäft übernehmen wir Risiken nur zu risikoadäquaten Preisen. Das bedeutet: Ändert sich die Gefährdungslage, passen wir das Preisgefüge an. Zweitens: Wir entwickeln mit unserer Expertise im Kontext der Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen neue Geschäftsmöglichkeiten. Und drittens: Wir setzen uns als Unternehmen in der internationalen Diskussion für wirkungsvolle und verbindliche Regeln bei den CO2-Emissionen ein, damit der Klimawandel gebremst wird und kommende Generationen nicht mit schwer beherrschbaren Wetterszenarien leben müssen“, so Jeworrek.
50 Prozent weniger Treibhausgase bis 2050?
Die Münchener Rück führe wissenschaftliche Analysen zu den Auswirkungen des Klimawandels durch und kooperiere mit vielen wissenschaftlichen Instituten. 2008 wurde beispielsweise eine Zusammenarbeit mit Lord Nicholas Stern und der London School of Economics (LSE) gestartet, um die Erforschung der wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels entscheidend voranzubringen.
„Auf dem nächsten Klimagipfel in Kopenhagen muss ganz klar der Weg zu einer mindestens fünfzigprozentigen Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 mit entsprechenden Meilensteinen festgeschrieben werden. Bei zu langem Zögern wird es für künftige Generationen sehr teuer“, sagte Jeworrek abschließend.
Bei der Beurteilung von Naturkatastrophen nimmt die Münchener Rück eine Klassifizierung in sechs Kategorien vor. In der Jahresbilanz werden alle Ereignisse berücksichtigt, bei denen mehr als zehn Menschen ums Leben kamen und/oder die Schäden in Millionenhöhe lagen.
(Münchener Rück, 05.01.2009 – DLO)