Die Magnetosphäre der Erde hat ein gigantisches Loch, zehnfach größer als bisher für möglich gehalten und dies zu einem Zeitpunkt, als das Magnetfeld eigentlich als „dicht“ galt. Der Sonnenwind kann in diese Lücke hineinfließen und das Magnetfeld durch seine energiereichen geladenen Teilchen aufladen. In den kommenden Jahren drohen dadurch besonders starke geomagnetische Stürme in der Atmosphäre.
Magnetfeld als Schutzschild der Erde
Die Magnetosphäre ist eine gewaltige Blase von Magnetfeldlinien, die die Erde wie ein riesiger Schutzkäfig umgeben und gegen die energiereiche kosmische Strahlung schützen. Da die Partikel des Sonnenwinds elektrisch geladen sind, reagieren sie auf das Magnetfeld und werden abgelenkt. Der Schutzschirm ist allerdings nicht lückenlos.
Vor allem dann, wenn das solare Magnetfeld entgegengesetzt dem irdischen ausgerichtet ist, sollten besonders viele Teilchen durchkommen, da ihre Magnetisierung die der Erde aufhebt. Die Richtung des solaren Magnetfelds ändert sich mit dem elf-jährigen solaren Zyklus. Weisen dagegen beide Magnetfelder in die gleiche Richtung, dann ist die „Tür“ zu. Selbst wenn einzelne Reste magnetischer Felder mit dem Sonnenwind zur Erde gelangen, sind beide Felder gleich ausgerichtet und verstärken sich gegenseitig, statt sich aufzuheben – so jedenfalls die bisherige Annahme.
Sonden „stolpern“ über Riesenloch
Doch im Juni 2007 geschah das Unerwartete: Fünf Sonden der THEMIS-Mission, einem Programm zur Erforschung der Physik der Polarlichter, flogen zufällig durch den äußeren Bereich der Magnetosphäre, als sich darin ein gigantisches Loch auftat. Die Sensoren an Bord der Sonden registrierten eine wahre Sturzflut von Sonnenwindteilchen, die in das Magnetfeld einströmten und signalisierten damit ein absolut überraschendes Ereignis – denn zu dieser Zeit waren die Magnetfelder von Erde und Sonne gleich ausgerichtet.
„Zuerst konnte ich es nicht glauben”, berichtet THEMIS-Forscher David Sibeck vom Goddard Space Flight Center der NASA. „Die Öffnung war riesig – vier Mal so groß wie die Erde“, so Wenhui Li, Astrophysikerin der Universität von New Hampshire, die die THEMIS-Daten auswertete. „10 hoch 27 Partikel pro Sekunde strömten in die Magnetosphäre, das ist eine Eins gefolgt von 27 Nullen. Ein Einstrom dieser Größenordnung ist größer als alles was wir jemals für möglich gehalten hätten.“
Magnet-Tentakel „knacken“ irdisches Feld
Das Ereignis begann mit wenig Vorwarnung als eine leichte „Brise“ des Sonnenwinds nicht nur Teilchen, sondern auch ein Bündel von solaren Magnetfeldern in Erdnähe transportierte. Wie ein Oktopus seine Tentakel wickelten die solaren Magnetfeldlinien sich um die irdische Magnetosphäre und „knackten“ sie auf. Innerhalb von Minuten verbanden sich Feldlinien von irdischem und solarem Magnetfeld und erzeugten Felder, die sich von den Polen aus Richtung Äquator überlappten. Genau dort entstand dann die größte Lücke, die jemals registriert worden ist.
„Wir haben Dinge wie dieses schon zuvor gesehen, aber noch niemals in diesem Ausmaß“, erklärt Joachim Raeder von der Universität von New Hampshire. „Die gesamte Tagseite der Magnetosphäre war für den Sonnenwind offen.“ Erstaunlich daran ist aber nicht nur das schiere Ausmaß des Ereignisses, sondern auch sein Zeitpunkt, denn das Ganze geschah, obwohl Sonnenmagnetfeld und Erdmagnetosphäre in die gleiche Richtung wiesen. „Für einen Laien klingt das wie eine Kleinigkeit, aber für einen Weltraumphysiker ist das wie ein Erdbeben“, so Sibeck. „Als ich das meinen Kollegen erzählte, reagierten die meisten mit Skepsis, so als ob ich versucht hätte sie davon zu überzeugen, dass die Sonne im Westen aufgeht.“
Besonders starke Magnetstürme in den nächsten Jahren
Was aber sind die Folgen dieses Ereignisses? Die eindringenden Teilchen des Sonnenwinds wirken sich nicht sofort aus, stattdessen „laden“ sie das Magnetfeld mit solaren Partikeln auf. Wenn dann der nächste Sonnensturm kommt, entlädt sich dies und die Folge sind Magnetstürme, die Telekommunikationssatelliten stören, Stromausfälle verursachen und die Gesundheit von Astronauten in der Umlaufbahn schädigen können.
„Je mehr Partikel, desto schwerer der Sturm”, erklärt Reader. „wenn das solare Feld eine zeitlang mit dem der Erde gleichgerichtet war, wissen wir, dass das Erdmagnetfeld stark mit solaren Teilchen aufgeladen und für einen starken Sturm vorbereitet ist. Im jetzt kommenden solaren Zyklus erwarten wir daher besonders schwere geomagnetische Stürme.“
(NASA, 02.01.2009 – NPO)