Im Universum gibt es weitaus mehr Masse, als durch die Himmelskörper und Gaswolken alleine zu erklären wären. Wo aber ist der Rest? Eine Erklärung ist die Dunkle Materie: Materie in einem noch unbekannten Zustand, die für die Instrumente der Astronomen bisher nicht sichtbar oder nachweisbar war. Jetzt aber ist der erste direkte Nachweis der Existenz dieser rätselhaften Materieform gelungen.
Seit den 1930er Jahren gehen Astronomen davon aus, dass ein Großteil des Universums aus etwas anderem als der normalen Materie bestehen muss, etwas, das sich von den Bausteinen der Sterne, Planeten und aller Lebewesen fundamental unterscheidet. Aus Beobachtungen der Bewegungen der Galaxien und den Gesetzmäßigkeiten der Gravitation schließen Forscher daher, dass es im Kosmos ungefähr fünf Mal so viele Dunkle Materie geben muss wie normale. In den letzen 70 Jahren jedoch war es niemandem gelungen, direkte Beweise für die Existenz dieser rätselhaften Materieform zu finden.
„Astronomen waren in der etwas peinlichen Situation sagen zu müssen, dass wir das Universum verstehen, obwohl wir von mehr als 80 Prozent davon absolut keine Ahnung haben”, erklärt Dennis Zaritsky, Professor für Astronomie an der Universität von Arizona und Mitglied des Forscherteams. „Entweder liegt die meiste Materie im Universum als unsichtbare, unentdeckte Form, die wir als Dunkle Materie bezeichnen vor, und lässt die Galaxien sich so bewegen wie wir es beobachten, oder aber wir haben die fundamentalen Gesetze der Gravitation nicht verstanden.“
Kosmische Kollision als Beobachtungsobjekt
Die Kollision von zwei Galaxienclustern jedoch verhalf den Forschern jetzt zum entscheidenden Durchbruch. In solchen Clustern liegt die Materie vor allem als heißes Gas vor, seine Masse ist deutlich größer als die der Sterne in dem Galaxienhaufen. Normalerweise müsste das Gas sich daher allmählich ausbreiten und verteilen, stattdessen jedoch bleibt es scheinbar von unsichtbarer Kraft zurückgehalten, im Cluster gefangen. Dies ist theoretisch nur möglich, wenn eine noch größere Masse dunkler und daher unsichtbarer Materie es durch seine Anziehungskraft festhält.
Genau das haben jetzt Wissenschaftler direkt nachgewiesen. In mehr als hundert Beobachtungsstunden am Röntgenteleskop Chandra, sowie dem Weltraumteleskop Hubble und den optischen Teleskopen Magellan und dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte beobachteten die Forscher den Galaxiencluster 1E0657-56, auch Bullet-Cluster genannt, da er eine spektakuläre, geschossförmige Wolke aus hundert Millionen Grad heißem Gas enthält. Die Röntgenaufnahmen zeigen, dass diese Form durch die Kollision eines größeren mit einem Kleineren Cluster entstanden ist.
Unsichtbare Masse als Beleg
Die Astronomen nutzen die Technik der Gravitationslinse um die Massenverteilung im Cluster zu messen. Hierbei wird der Grad der Verzerrung des Hintergrundlichts durch die Schwerkraft der Massen im Cluster beobachtet. Es zeigte sich, dass das heiße Gas in der Kollision durch eine Kraft ähnlich des Luftwiderstands gebremst wurde. Demgegenüber wurde die dunkle Materie nicht beeinflusst, und dadurch registrierten die Astronomen einen unsichtbaren aber nachweisbaren großen Masseschwerpunkt vor der heißen Gaswolke.
Douglas Clowe, Astronom von der Universität von Arizona und Leiter der Studie erklärt: „Grundsätzlich wissen wir jetzt, es gibt wirklich dunkle Materie dort draußen. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was sie ist.“
(Chandra X-ray Center, 22.08.2006 – NPO)