Chemie

Elektronenklau schafft „armes“ Eisen

Forscher synthetisieren außergewöhnliche Verbindung mit sechswertigem Eisen

Forscher bestrahlen die Ausgangsverbindung mit einem roten Laserstrahl, so dass sich der gelbe Eisen(VI)-Nitrido-Komplex (gelber Fleck) bildet. © MPI für bioanorganische Chemie

Eisen kann mehr als ihm Chemiker bislang zugetraut haben. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bioanorganische Chemie in Mülheim haben jetzt eine Verbindung synthetisiert, in deren Zentrum ein Eisenatom besonderer Art sitzt. Denn dieses Eisenatom hat nicht nur zwei oder drei sondern gleich sechs seiner acht äußeren Elektronen abgegeben. Da dieses sechswertige Eisen eine wichtige Rolle unter anderem im Blut spielt, könnte das jetzt in Science veröffentlichte Verfahren auch neue Erkenntnisse über viele enzymatische Prozesse im Körper liefern.

Eisenmangel macht schlapp und müde. Nicht nur weil am Eisen des Hämoglobin der Sauerstoff ankert, während ihn die roten Blutkörperchen in die Zellen transportieren. Eisenatome mischen auch bei der Zellatmung mit. Und ein Enzym mit einem Eisenkern baut in der Leber organischen Müll ab, der sich im Körper gesammelt hat. Dieses Enzym nennen Biochemiker P450. Wie es genau funktioniert, wissen sie noch nicht. Sie vermuten, das Eisen in seinem Zentrum könnte auch ungewöhnlich hohe Oxidationsstufen annehmen.

"Wir haben jetzt einen weiteren Beleg geliefert, dass Eisen dazu in der Lage ist", sagt Karl Wieghardt. Der Direktor des Mülheimer Instituts leitet die Gruppe um den Humboldt-Stipendiaten John F. Berry, die die außergewöhnliche Verbindung hergestellt hat. Die Chemiker haben Eisen in einer Komplexverbindung, die Biomolekülen mit einem Eisenkern ähnelt, in die sechste Oxidationsstufe gezwungen.

Als Oxidationsstufe bezeichnen Chemiker die Zahl der Elektronen, die ein Atom in einer Verbindung an seine Partner abgibt. Eisen in der sechsten Oxidationsstufe kennen Chemiker bislang nur aus einer einzigen Verbindung, einem Ferrat-Ion, in dem das Eisen vier Sauerstoffliganden trägt. In diese Verbindung bringen sie das Eisen jedoch nur unter großem Zwang. Entsprechend instabil ist das Ferrat und holt sich von anderen Stoffen gerne wieder Elektronen zurück, bis das Eisen seine stabile zwei- oder dreiwertige Form zurückgewonnen hat. Ähnliches gilt für Eisen in der vierten und fünften Oxidationsstufe, die Wissenschaftler sprechen auch von vier- oder fünfwertigem Eisen.

Elektronenklau mit Strom und Licht

Die neue sechswertige Verbindung haben die Chemiker hergestellt, indem sie einem dreiwertigen Eisen in zwei Schritten drei Elektronen entlockt haben. Ausgegangen sind sie von einer Verbindung, in der das Eisen in einen Ring aus Stickstoff und Kohlenstoff eingebettet ist und zusätzlich von einem reaktiven Stickstoffrest und einem Sauerstoffatom in die Zange genommen wird. Nun haben sie das Eisen zunächst elektrochemisch in die vierte Oxidationsstufe gezwungen: Indem sie an eine Lösung der Verbindung eine elektrische Spannung anlegten, haben sie aus dem Metall ein Elektron abgesaugt. Im zweiten Schritt haben sie die Reaktionslösung mit rotem Licht bestrahlt und so eine Reaktion eingeleitet, bei der das Eisen zwei weitere Elektronen hergeben musste. Allerdings ist auch die neue Verbindung nur bei rund 200 Grad unter Null über längere Zeit stabil.

"Wir werden nun untersuchen, welche Rolle eine solche Verbindung in der Biochemie spielen könnte", sagt Wieghardt. Ferrat, die bislang bekannte sechswertige Eisenverbindung, ist viel zu aggressiv als dass sie in biologischen Prozessen mitspielen könnte. Sie würde wahllos alle organischen Verbindungen zerstören. "Das ist als würden sie auf die Verbindungen mit einem Vorschlaghammer hauen", sagt Wieghardt. Er und seine Mitarbeiter hoffen nun, dass die neue Verbindung nur bestimmte Verbindungen aufbricht. Das könnten auch organische Chemiker ausnutzen, die immer Oxidationsmittel mit suchen, die nur an ausgewählten Stellen ihrer Moleküle eingreifen.

(MPG, 02.06.2006 – NPO)

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