Irgendwann in ferner Zukunft könnte in Äthiopien ein neuer Ozean entstehen, denn ein Magmastrom aus den Tiefen der Erde drückt an dieser Stelle die kontinentale Kruste auseinander. Eine neue Studie britischer Wissenschaftler hat jetzt die Existenz eines Mantelplume bestätigt, das die tektonische Plattenbewegung im afrikanischen Riftgebiet antreibt und den Übergang zu einer ozeanischen Kruste bewirkt.
Der afrikanische Riftgraben ist eine rund 3.000 Kilometer tiefe Verwerfung in der Erdoberfläche, die sich von Malawi im Süden über Tansania, Kenia und Äthiopien bis zum Roten Meer und dem Golf von Aden erstreckt. Der Charakter des Grabens ändert sich in seinem Verlauf: In Kenia noch ein klassischer Riftgraben, ähnelt die Verwerfung nach Norden zu mehr und mehr einem Mittelozeanischen Rücken, wie beispielsweise in der Afar-Region Äthiopiens.
Zwischen Land und Meer
Der Untergrund unter Äthiopien befindet sich in einem Übergang zwischen kontinentaler und ozeanischer Kruste. Die Untersuchung der geologischen Prozesse, Strukturen und Geschichte des magmatischen Rifts liefert daher wertvolle Information darüber, wie neuen Ozeane entstehen. Deshalb wird dies im Rahmen des internationalen Projekts EAGLE – Ethiopia Afar Geoscientific Lithospheric Experiment – erforscht, an dem unter anderem Peter Maguire, Professor für Geologie an der Universität von Leicester gemeinsam mit Kollegen aus Großbritannien, den USA und Äthiopien beteiligt sind.
Mithilfe von ausgedehnten seismischen Messnetzen haben die Wissenschaftler einen Einblick in die Prozesse und Strukturen erlangt, indem sie kleinste natürliche Erschütterungen aber auch Vibrationen aus künstlichen, in Bohrlöchern ausgelösten Explosionen aufgezeichnet haben. Aus diesen Daten und genauen Messungen des Erdschwerefelds rekonstruierten sie ein Modell der Riftstruktur bis in eine Tiefe von fast hundert Kilometer.
„Am äthiopischen Rift geschieht alles an einem Ort – es gibt Vulkane, Erdbeben, klassische Riftgraben-Verwerfungen und komplexe Geologie“, erklärt Dave Cornwell, ein am Projekt beteiligter Geophysiker. „Es ist einer der wenigen Plätze auf der Welt, wo wir untersuchen können, wie geologische Prozesse zusammenwirken um einen Kontinent aufzubrechen.”
Einschübe zeigen ozeanischen Charakter
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die zentrale Riftstruktur in Äthiopien durch bis zu 20 Kilometer breite Einschlüsse von dichtem Eruptivgestein charakterisiert ist. Ursprung dieser Gesteinsmassen ist ein Mantelplume, eine Region mit starken Aufstiegsbewegungen im oberen Mantel. Seismische Analysen engten die Lage und das Ausmaß des Mantelplumes auf eine Position unmittelbar unterhalb der Kruste ein. Von dort aus sind auch kleine Mengen geschmolzenen Gesteins unter das Rift selbst aufgestiegen.
Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass ozeanische Prozesse in dieser Übergangsphase des Rifts langsam beginnen zu dominieren. „Meine Ergebnisse tragen dazu bei zu zeigen, dass sich das äthiopische Rift von einem rein kontinentalen Rift, das durch plattentektonische Prozesse gedehnt und gefaltet wird, zu einem Rift mit nun noch kontinentalem Rahmen und Einschüben von geschmolzenem Gestein wandelt“, so Cornwall. „Das repräsentiert die ersten Bausteine für die Entstehung neuen Ozeanbodens. Schade nur, dass seine Vollendung Millionen von Jahren dauern wird.“
(University of Leicester, 09.06.2005 – NPO)