Seit mehr als einem Jahrzehnt blicken Mikrobiologen im schwedischen Äspö in die Tiefe: Sie erforschen die Bakterien, die im Granitfels des dortige Untergrund leben. Ihr Ziel ist neben der Grundlagenforschung ein ganz praktisches: Sie wollen wissen, ob und wie die winzigen Granitbewohner Einfluss auf die unterirdische Lagerung von gefährlichen Abfällen haben könnten.
Die schwedische Entsorgungsfirma Svensk Kärnbränslehantering (SKB) hatte für diesen Ort ursprünglich ein unterirdisches Endlager für radioaktive Abfälle aus Kernreaktoren, aber auch aus Medizin und Forschung geplant. Ziel war es, die Abfälle zunächst mit einer Kupferumhüllung zu versehen und sie dann eingebettet in Bentonit-Ton in einer Tiefe von mindestens 500 Metern zu lagern.
Doch mit der Entdeckung der Bakterien im Granit tauchten gleich eine ganze Reihe völlig neuer Fragen auf: Könnten die Mikroben die Kupferbehälter der Brennelemente womöglich beschädigen oder zersetzen? Fördern oder hemmen sie die Verbreitung von ausgetretenen Radionukliden im Untergrund oder Grundwasser?
„Sauerstoffzehrer“ als Helfershelfer
Eine der Hauptursachen für Korrosion der Lagerbehälter ist die Anwesenheit von Sauerstoff im Grundwasser oder Untergrund. Normalerweise ist in Tiefen von 500 Metern kein Sauerstoff vorhanden. Im Laufe der Bauarbeiten an der Lagerstätte allerdings wird Luft in die unterirdischen Tunnel gepumpt – und damit auch Sauerstoff. Wird das Lager verschlossen und füllt sich wieder mit Grundwasser löst sich dieser Sauerstoff – und wird zu einer potenziellen Gefahr für die Behälter.
Im Rahmen des so genannten Rex-Projektes ((Redox Experiment in a Detailed Scale) erforschen nun Wissenschaftler der Universität Göteborg, ob vielleicht die „ortsansässigen“ Bakterien und Mineralien den Sauerstoff beseitigen können. Und tatsächlich deuten die ersten Ergebnisse darauf hin, dass die Mikroben nicht nur keinen Schaden anrichten, sondern sogar eine entscheidende Rolle als „Sauerstofffresser“ spielen. Nach Schätzungen der Forscher könnte schon ein Jahr nach Versiegelung des Lagers der gesamte Sauerstoff aufgebraucht sein.
„Leckfänger“ im Untergrund
Möglicherweise geht der Nutzen der „unterirdischen Hilfskräfte“ sogar noch weiter: Neueste Laborversuche haben gezeigt, dass die Bakterien der tiefen Biosphäre auch dann einspringen könnten, wenn das Unglück schon passiert ist – wenn Radionuklide durch ein Leck ins Grundwasser ausgetreten sind. Eisen- und Mangan oxidierende Bakterien wirken dabei wie ein Filter und halten die radioaktiven Partikel im Untergrund fest. Andere Mikroben wiederum bilden bestimmte Kittsubstanzen, die verhindern, dass sich die Radionuklide an Mineraloberflächen des Gestein binden.
Noch müssen diese Laborergebnisse ihre Gültigkeit unter Realbedingungen allerdings erst erweisen. Unter anderem deshalb geht das Mikrobenprojekt von Äspö jetzt in die zweite Runde. Bis 2005 wollen die schwedischen Mikrobiologen die Leistungsfähigkeit ihrer mikrobiellen „Helfershelfer“ sowohl im Labor als auch im Untergrund von Äspö testen. Andere europäische und amerikanische Forschungslabore haben inzwischen ebenfalls das Potenzial der unterirdischen Bakterien entdeckt und ähnliche Projekte gestartet.
(Universität Göteborg, SKB, 18.12.2003 – NPO)