Mit einer 3D-Brille kann man riesengroße virtuelle Welten erleben. Spätestens wenn man in eine reale Wand läuft, wo die elektronische Brille einen virtuellen Freiraum anzeigt, stellt man aber schmerzhaft fest, dass virtuelle und wirkliche Realität nicht ganz zueinander passen. Eine Methode der TU Wien ermöglicht nun, fast endlos erscheinende virtuelle Welten zu erzeugen. Während man durch die virtuelle 3D-Welt geht, wird die Position des nächsten Raumes automatisch berechnet – und zwar so, dass er in den real zur Verfügung stehenden Platz passt. Dadurch glaubt man, durch riesige labyrinthartige Korridorsysteme zu spazieren, wird in Wirklichkeit aber vom Computer bloß immer wieder im Kreis geführt.
Virtuelle Welten
Etwa zehn mal zehn Meter groß ist der Testbereich, in dem Prof. Hannes Kaufmann vom Institut für Softwaretechnik und interaktive Systeme der TU Wien seine Testpersonen mit 3D-Brille herumgehen lässt. Ihre Bewegungen werden von Kameras aufgenommen, über die Brille bekommen sie Wände und abgeschlossene Räume eingeblendet, die vom Computer generiert werden.
Normalerweise kann die 3D-Welt nur so groß sein wie der reale Platz, der zur Verfügung steht. Die Virtual-Reality-Forschungsgruppe der TU Wien hat allerdings mit Kollegen des Southern California Institute for Creative Technologies eine Ausweg gefunden: Der Computer erzeugt ein System von einander überlappenden Korridoren und Räumen, das geometrisch in Wirklichkeit gar nicht möglich wäre.
Viele Zimmer am selben Ort
„Jedes unserer virtuellen Zimmer hat vier Türen, die jeweils über einen Korridor zu einem anderen virtuellen Zimmer führen“, erklärt Hannes Kaufmann. Von welchem Zimmer man in welche anderen Zimmer gelangen kann, ist also von Anfang an vorgegeben. Die genaue geometrische Lage der Zimmer und Korridore zueinander ist aber zunächst völlig offen. Sie hängt davon ab, an welcher realen Position die Testperson gerade steht.
Erst wenn die Testperson durch eine virtuelle Tür geht, wird der Verlauf des Korridors und die Lage des nächsten Zimmers berechnet – und zwar so, dass sie auf diesem Weg den vorgegebenen realen Raum nicht verlässt und nicht an reale Wände stößt. Das virtuelle Zimmer, in das man dabei gelangt, kann mit dem vorhergehenden Zimmer überlappen – die Versuchsperson bemerkt das kaum, wenn sie dazwischen ein Stück durch einen verwinkelten Korridor gehen musste.
Der Mensch ist ein schlechtes Navigationsgerät
„Ist unsere Konzentration auf Objekte gelenkt, bemerken wir kleinere Änderungen im Raum nicht, die außerhalb unseres Blickfelds liegen“, erklärt Hannes Kaufmann. Genau diesen Schwachpunkt in der menschlichen Wahrnehmung nützt Kaufmann in seinem Virtual-Reality-System aus. Die Testpersonen bemerken kaum, dass die Welten, durch die sie spazieren, geometrisch gar nicht möglich wären. Subjektiv halten sie den durchwanderten Bereich für viel größer als die Fläche, die sie tatsächlich real zur Verfügung hatten.
Virtueller Museumsbesuch und Computerspiele der Zukunft
Das Team rund um Hannes Kaufmann wird die Methode noch weiter entwickeln. „Wir haben noch einige Ideen, wie man diese Raum-Illusion noch verstärken kann“ meint Kaufmann. Einsatzmöglichkeiten für die Technologie sieht er in erster Linie in virtuellen Welten, in denen der Inhalt der virtuellen Zimmer im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, nicht die Geometrie der Räume selbst – etwa bei virtuellen Museumsbesuchen oder beim Erforschen abwechslungsreicher virtueller Welten in den Computerspielen der Zukunft.
Youtube-Video
(Technische Universität Wien, 23.04.2013 – KSA)