Schutz durch „Verstecken“

Der Infektionsmechanismus der Tuberkulose

Intrazelluläre Erreger, wie der Tuberkel-Bazillus oder das Aids-Virus HIV, sind die "listenreichen" unter den Keimen. Sie entziehen sich dem Abwehrsystem, indem sie sich in den Immunzellen selbst einnisten. Sie wählen gewissermaßen ihren "Exekutor" zum Wirt, bei den Tuberkeln die Fresszellen des Immunsystems, auch Makrophagen genannt.

Tb-Erreger Mycobacterium tuberculosis © CDC

Einmal über die Atemluft in die Lungen des Infizierten gelangt, lässt sich der Tuberkel-Bazillus in den Vakuolen, flüssigkeitsgefüllten Hohlräumen der Fresszellen häuslich nieder, überlebt und vermehrt sich dort. Seine Anwesenheit verrät er nur durch Proteine, etwa aus seiner Hülle. Diese Proteine gelangen an die Oberfläche der Wirtszelle und werden als Antigene präsentiert. Eine solche Präsentation setzt die weitere Immunabwehr in Gang: T-Lymphozyten werden aktiviert. Es beginnt ein Kräftemessen zwischen Erreger und Wirt. Bei 90 bis 95 Prozent aller infizierten Menschen gelingt es den T-Lymphozyten, speziell den CD-4-Zellen, den Tuberkel in Schach zu halten. Sie kapseln die Bakterien ein und es entsteht ein so genannter Herd.

Beseitigt ist der Erreger damit aber nicht, er kann jederzeit wieder die Oberhand erlangen und ausbrechen – und tut dies besonders dann, wenn das Immunsystem geschwächt ist, wie beispielsweise bei HIV-Infizierten. "Wie instabil dieses Gleichgewicht ist, zeigen alarmierende Zahlen", erklärt Tuberkuloseforscher Professor Stefan E. Kaufmann vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Fast zwei Milliarden Menschen, also ein Drittel der Weltbevölkerung, sind von Mycobacterium tuberculosis infiziert, pro Jahr bricht bei mehr als acht Millionen von ihnen die Tuberkulose aus, knapp zwei Millionen Menschen jährlich sterben an ihr.

Ändern könnte dies nur ein effektiver Impfstoff – doch den gibt es zur Zeit noch nicht. Denn das heute gebräuchliche Tuberkulose-Serum BCG, das aus abgeschwächten Keimen der Rinder-Tuberkulose besteht, verhindert nicht, dass der Tb-Erreger den Körper infiziert und dann dort latent ruht. Bei geschwächtem Immunsystem kann die Krankheit daher trotzdem jederzeit ausbrechen. Der Impfstoff ist zudem gegen die häufigste Tuberkuloseform bei Erwachsenen, die Lungentuberkulose komplett wirkungslos. Und genau hier setzt jetzt ein in am Max-Plack-Institut für Infektionsbiologie in Berlin entwickelter viel versprechender Impfstoffkandidat an.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter


Stand: 23.06.2006

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Mit Gentechnik gegen die Infektion
Die Suche nach neuen Impfstoffen

Neue Tricks im alten Wettlauf
Ansatzstellen für wirksamere Medikamente gesucht

Zielmolekül im Visier
Vom Gen zum maßgeschneiderten Wirkstoff

Schutz durch „Verstecken“
Der Infektionsmechanismus der Tuberkulose

Ausstiegsluken ins Verderben
Der Weg zum Impfstoff-Kandidaten

Erfolgsquote acht von hundert…
Impfstoffe im klinischen Test

Weltweit auf dem Vormarsch
Tb in Deutschland und weltweit

Steckbrief: Tuberkulose
Die Krankheit und ihr Erreger

Interview: Professor Kaufmann
„Ein Ersatz für den klassischen BCG-Impfstoff“

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Vogelgrippe - Vom Tiervirus zur tödlichen Gefahr für den Menschen

Schmerz - Alarmstufe Rot im Nervensystem

AIDS - Auf der Suche nach der Wunderwaffe