Die Vorliebe für rechts oder links beginnt nicht erst mit der Geburt, sondern schon im Mutterleib. Bereits bei sieben Wochen alten Embryonen ist die rechte Hand der linken in ihrer Entwicklung voraus. Mit 15 Wochen lutschen noch ungeborene Rechtshänder bereits vorwiegend am rechten Daumen. die entscheidenden Weichen sind dann offensichtlich längst gestellt. Aber welche Weichen sind es? Wirken äußere Faktoren auf den Embryo ein oder ist es allein eine Sache der Gene?
Verteilungsmuster spricht für genetische Komponente
Für einen genetischen Ursprung sprechen gleich mehrere Auffälligkeiten in der Verteilung und Weitergabe der Händigkeit:
Sind beide Eltern Linkshänder, wird ihr Kind mit nahezu 50 prozentiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls die linke Hand bevorzugen. Bei Kindern von zwei Rechtshändern liegt die Chance dagegen gerade mal bei zwei Prozent.
Interessanterweise spielt es bei Eltern mit unterschiedlicher Händigkeit eine Rolle, wer von beiden linkshändig ist. Ist es die Mutter, steigt die Chance für linkshändigen Nachwuchs. Insgesamt gibt es allerdings mehr männliche Linkshänder als weibliche. Das Verhältnis liegt bei etwa fünf zu vier. Diese Muster sprechen in den Augen vieler Wissenschaftler für eine in den Genen festgeschriebene Eigenschaft.
Aber andere Faktoren scheinen hier nicht ins Bild zu passen. So ist die Linkshändigkeit unter Zwillingen zwar fast doppelt so häufig wie bei Einzelkindern, aber selbst eineiige Zwillinge haben nicht immer die gleiche Händigkeit. Jedes fünfte Paar unterscheidet sich hier. Und auch das extreme Verhältnis von 9:1 für die Rechtshänder passt nicht in das übliche Mendelsche Verteilungsschema.
Zwischen Rechtshändigkeit und Zufall: Das DC-Modell
Doch Chris McManus, Professor für Neurologie am University College London, ist überzeugt davon, eine Lösung für dieses Dilemma gefunden zu haben. Sein Modell geht von einem Gen mit zwei möglichen Ausprägungen – D für rechtshändig „dextral“ und C für Zufall „chance“– aus: „Wenn Sie eine doppelte Portion des C-Allels haben, heißt das aber nicht, dass Sie linkshändig werden“, so der Forscher. „Es bedeutet, dass sämtliche Kontrollmechanismen für die Händigkeit verschwinden, so dass der Zufall entscheidet, ob Sie Linkshänder oder Rechtshänder werden.“
Menschen mit zwei D-Allelen wären nach diesem System immer rechtshändig, die Genkombination CC gibt dagegen keinen Trend in die eine oder andere Richtung vor. Hier gilt das Zufallsprinzip. Bei Menschen mit einem D und einem C-Allel setzt sich entweder das Rechthänder-Gen durch, oder aber das Zufallsgen, so dass letztlich die Wahrscheinlichkeit für Rechtshändigkeit bei rund 75 Prozent liegt.
Indem McManus den Zufall quasi in sein Modell mit einbezieht, kann er auch die Abweichungen von den normalen Erbgangschemata erklären – und auch, warum seine eineiigen Zwillingstöchter Anna und Franziska trotz identischer Gene verschiedene Hände bevorzugen: „Dem genetischen Modell zufolge ist die Lösung einfach: Beide tragen jeweils eine oder zwei Kopien des C-Allels. Das heißt bei beiden hat der Zufall über ihre Händigkeit entschieden.“
„Rechtsruck“ im Erbgut: das Right-Shift-Modell
Diesem Zufallsgen-Modell steht das so genannte „Right-shift“-Modell der Psychologin Marian Annett von der University of Leicester gegenüber. Nach diesem ist die Händigkeit nur eine Art Nebenwirkung eines Gens, das die Dominanz der linken Gehirnhälfte und damit das Sprachzentrum fördert und bestimmte Kontrollmechanismen der rechten Hälfte schwächt. „Der Kern meiner Right-Shift-Theoerie ist, dass es ein Gen gibt, das dazu beiträgt, die Sprache in der linken Hirnhälfte zu entwickeln“, so Annett. „Gleichzeitig erhöht es die Wahrscheinlichkeit für Rechthändigkeit.“
Beiden Modellen ist gemeinsam, dass sie zwar die beobachteten Phänomene zum Teil erklären könnten, zum jetzigen Zeitpunkt aber bloße Theorien sind. Die konkreten Gene konnten die Forscher bisher weder im einen noch im anderen Fall ausfindig machen.
Nadja Podbregar
Stand: 08.08.2014