Astronomie/Kosmologie

Auf tönernen Füßen

Warum die Inflation auch Fragen aufwirft

Die kosmische Inflation geizt bisher aber nicht nur mit Beweisen, auch theoretisch gibt es noch reichlich Unstimmigkeiten. „In den 30 Jahren seit Guth sie eingeführt hat, ist etwas Seltsames mit dem Szenario geschehen: Die Indizien, die dafür sprechen sind gewachsen, aber auch die dagegen“, kommentiert der US-Physiker und Kosmologe Paul Steinhardt die Entwicklung.

So sieht der Planck-Satellit die kosmische Hintergrundstrahlung © ESA / Planck Collaboration

Nur das einfachste Modell passt

So sprechen Daten des Planck-Satelliten zwar nicht gegen das Szenario der kosmischen Inflation. Die bisher genaueste Karte der kosmischen Hintergrundstrahlung grenzt aber wichtige kosmologische Parameter weiter ein – und dies betrifft auch die Inflation. Denn unter den gängigsten Inflations-Varianten stimmen die einfachsten am ehesten mit den Planck-Ergebnissen überein – die Modelle, die nur einem einzigen Inflatonfeld mit einem sanft geneigten Plateau ausgehen, wie es auch schon Guth postuliert hatte.

Dieses einfache Szenario aber kollidiert mit Erkenntnissen aus der Teilchenphysik: Denn kurz nach dem Urknall müsste auch ein anderes wichtiges Feld bereits existiert haben: das Higgs-Feld. Auch dieses befand sich damals in einem metastabilen Zustand, in einem falschen Vakuum ähnlich wie das von Guth postulierte Inflaton-Feld. Ob und wie die kosmische Inflation das Higgsfeld beeinflusst hätte, haben 2014 Physiker um Robert Hogan vom King’s College London untersucht.

Kollaps vorprogrammiert?

Sie kamen dabei zu einer verblüffenden Erkenntnis: Eigentlich dürfte es unser Universum heute gar nicht geben. Denn die heftigen Quantenfluktuationen bei der Inflation hätten das Higgs-Feld destabilisiert und aus seinem metastabilen Zustand gerissen. Das aber wäre für die gerade erst begonnene Inflation fatal gewesen.

Die starken "Stöße" der Inflation müssten unser Universum eigentlich aus der Senke in das Tal ganz rechts geschubst haben - so die Ansicht von Hogan und Fairbairn © Robert Hogan/ Kings College London

Denn der Absturz des Higgs-Felds hätte auch das Inflatonfeld mitgerissen und die Inflation sofort beendet. Unser Universum hätte dann schon Sekundenbruchteile nach dem Urknall wieder in sich zusammenfallen müssen. „Das aber ist inakzeptabel, denn wenn dies geschehen wäre, könnten wir heute nicht hier sein und darüber diskutieren“, konstatierten Hogan und seine Kollege Malcolm Fairbairn.

Higgs-Wechselwirkung als Retter?

Demnach ist es offensichtlich, dass irgendetwas diesen Kollaps verhindert haben muss. Eine mögliche Erklärung lieferte Ende 2014 eine europäische Forschergruppe. Sie wies in einer theoretischen Herleitung nach, dass eine schon eine winzig kleine Wechselwirkung mit der Gravitation das Higgs-Feld während der Inflation stabilisiert haben könnte.

Auch dies aber ist bisher nichts als eine Theorie. Die Forscher hoffen aber, in der kosmischen Hintergrundstrahlung Signale zu finden, die diese schwache Interaktion von Higgs-Feld und Gravitation belegen. Ob dies gelingt, bleibt allerdings abzuwarten.

Klar scheint bisher nur eines: Die Inflation ist bisher die plausibelste Erklärung dafür, dass unser Universum heute so ist, wie es ist. Gleichzeitig aber wirft diese Theorie reichlich neue Fragen auf – und belegen lässt sie sich bisher ebenfalls nicht. Diese Schwierigkeiten ahnte allerdings auch schon Alan Guth, einer der „Väter“ der Inflation: „Die Inflation, wenn sie denn wahr ist, ist nicht das Ende der Erforschung der kosmischen Ursprünge, sondern nur ihr Anfang“, konstatierte er.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 22.05.2015

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der große Schub
Rätsel um die kosmische Inflation

Urknall – und dann?
Von fast Null auf Unendlich

Das Horizont-Problem
Die unerklärliche Gleichheit allen Seins

Das Flachheits-Problem
Eine scheinbar unmögliche Raumkrümmung

Exponentielle Ausdehnung
Die Erfindung der kosmischen Inflation

Prinzip Trockenpflaume
Welche Probleme löst die Inflation?

Zu früh gefreut
Die Suche nach einem Beweis für die Inflation

Der Motor
Was hat die kosmische Inflation angetrieben?

Auf tönernen Füßen
Warum die Inflation auch Fragen aufwirft

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Erste Sterne entstanden später als gedacht
Daten des Planck-Satelliten liefern neue Erkenntnisse zum frühen Universum

Verräterische Muster im kosmischen Hintergrund
Identifizierte Polarisationsmuster könnten helfen, das Signal der kosmischen Inflation zu finden

Quantenvakuum als Dunkle Energie?
Fluktuationen im scheinbar leeren All könnten die Triebkraft für die Expansion des Universums erklären

Genaueste Karte des kosmischen Hintergrunds veröffentlicht
Planck-Weltraumteleskop bestätigt das Standardmodell - mit kleinen Abweichungen

Dossiers zum Thema

Dunkle Energie - Auf der Suche nach der geheimnisvollen Triebkraft des Universums