Das Phänomen erkannte bereits Charles Darwin: Phototropismus. Er beobachtete Ende des 19. Jahrhunderts, dass bei Belichtung von frisch gekeimten Gräsern von der Seite der junge Halm in der Richtung des einfallenden Lichts weiterwächst. In seinem 1880 veröffentlichten Werk „Das Bewegungsvermögen der Pflanzen“ beschrieb Darwin seine Beobachtungen. Er vermutete, dass die Spitze der Sprossscheide eine entscheidende Rolle bei der Erkennung des Lichtreizes spielt. Doch da die eigentliche Krümmung in einer Zone unterhalb der Spitze erfolgte, musste der Reiz seiner Meinung nach irgendwie im Gewebe weitergeleitet werden.
Inzwischen haben anatomische Untersuchungen gezeigt, dass Darwin tatsächlich Recht hatte: die lichtempfindlichen Zellen sitzen in der Spitze. Doch die Zellen, die für das zur Seite geneigte Wachstum verantwortlich sind, befinden sich tiefer im Spross. Sie wachsen auf der lichabgewandten Seite langgestreckter als auf der belichteten. Folglich muss die Spitze ihnen den Befehl zum Wachsen gegeben haben. Im Jahre 1934 identifizierte Fritz Kögl die Indolessigsäure als wichtigsten Vertreter dieser als Auxine bezeichneten Klasse von Botenstoffen.
Entscheidend für die Wirkungsweise der Indolessigsäure ist ihre Konzentration. Ist nur wenig Auxin vorhanden, fördert es das Streckungswachstum von Sprossscheide, Sprossachse und Wurzel, während hohe Auxin-Mengen nachteilig auf Spross- und Wurzelwachstum wirken. Das liegt daran, dass das Hormon die Produktion von Ethylen steigert, was wiederum eine hemmende Wirkung auf diese Pflanzenorgane ausübt.
Doch das Streckungswachstum ist nicht das einzige, was Auxine bewirken. Sie fördern auch die Zellteilung und die Bildung von Seitenwurzeln. Desweiteren begünstigen Auxine das Aufbrechen von Baumknospen und das rasche Wachstum neuer Triebe. Ihnen ist es zu verdanken, dass ein Trieb eher in die Höhe als in die Breite wächst. Ein beliebter Versuch zum Nachweis der Auxin-Funktion ist das Abschneiden der Endknospe. Als Folge treiben die Seitenknospen aus. Trägt man jedoch Indolessigsäure auf die Schnittfläche auf, unterbleibt dies. Aus diesem Grund eignen sich chemisch verwandte Stoffe sehr gut als Basis für die Herstellung von Herbiziden, die im Getreideanbau sowie in Baumwoll-, Sojabohnen- und Zuckerrübenkulturen ihren Einsatz finden.
Auch an Fruchtbildungsprozessen ist Indolessigsäure entscheidend beteiligt. Bei Paprika, Gurke und Erdbeere gelang es Forschern sogar, durch Zugabe von Indolessigsäure Früchte ohne vorhergehende Samenentwicklung zu erzeugen.
Landwirte setzen Auxine gerne im Obst- und Gartenbau ein, um beispielsweise den Fruchtansatz zu verbessern. In der Landwirtschaft soll das Hormon die Wurzelbildung von Stecklingen anregen. Allerdings nehmen die Landwirte dann lieber synthetische Verbindungen, da diese kostengünstiger in der Herstellung und unempfindlicher gegen bestimmte Enzyme sind, die den natürlichen Stoff schneller abbauen.
Ferner nehmen Auxine auch Einfluss auf den Blattfall. Negative Schlagzeilen machte in diesem Zusammenhang eine unter dem Namen „Agent Orange“ berüchtigte Auxin-Verbindung, die im Vietnamkrieg zur Entlaubung eingesetzt wurde. Die Schädigung von Personen kam allerdings durch die Kontamination mit Dioxinen zustande.
Stand: 22.03.2005