Die geistigen Fähigkeiten des Menschen sind Teil des Naturgeschehens. Die natürlichen Grundlagen von Bewusstsein und Denken sind ganz wesentlich Hirnzustände. Normale Hirnzustände eines Menschen, die sich im Laufe einer gewöhnlichen Kindheit entwickeln, sind unbestritten die Voraussetzung für die üblichen kognitiven Leistungen. Krankheits- oder unfallbedingte Veränderungen des Gehirns bringen oftmals schwere Beeinträchtigungen mit sich.
Mittlerweile ist es gelungen, für manche mentalen Fähigkeiten durch das Zusammenspiel verschiedener Methoden in der Hirnforschung, wie beispielsweise Verletzungsstudien, bildgebende Verfahren wie Kernspintomographie, TMS-Verfahren und weitere, zentrale Hirnbereiche zu lokalisieren, die in besonderer Weise für eine bestimmte Fähigkeit unverzichtbar sind.
Wenn man den „False-Belief“-Test zugrunde legt, kann man auch die neuronalen Grundlagen der Zuschreibung von Gedanken untersuchen. Genau das haben Albert Newen und Leon de Bruin vom Institut für Philosophie II der Ruhr- Universität Bochum in der Kooperation mit der neurowissenschaftlichen Arbeitsgruppe von Professor Kai Vogeley der Universität Köln getan.
Ich-Bewusstsein aktiviert mehrere Zentren
Sie stellten fest, dass es unterschiedliche neuronale Korrelate für Selbstzuschreibungen gegenüber Fremdzuschreibungen gibt: Bei Fremdzuschreibungen ist in besonderer Weise der mittlere präfrontale Kortex aktiv, ein in der Stirn sitzender Bereich der Hirnrinde, der typischerweise für komplexe kognitive Prozesse zuständig ist. Bei einer Selbstzuschreibung ist dagegen eine spezifische Verbindung von erhöhter Aktivität sowohl im mittleren präfrontalen Kortex als auch im mittleren Scheitellappen zu beobachten.
In Verbindung damit steht ein weiteres Zentrum der Aktivität im Übergangsbereich zwischen Scheitel- und Schläfenlappen. Wird dieser so genannte temporoparietale Übergangsbereich verletzt, ist er unter anderem für das Neglect-Syndrom mitverantwortlich, bei dem sich die Wahrnehmungsperspektive verschiebt und die Betroffenen von einem Verschwinden einer Hälfte des üblichen Wahrnehmungsfeldes berichten. Dieses Phänomen passt sehr gut zu einer Gruppe von bekannten Ich-Phänomenen und deren neuronalen Grundlagen.
Doch die Suche nach den neuronalen Grundlagen ist immer nur so gut, wie es die besten Methoden gegenwärtig erlauben. Für die Forscher bleibt daher die ständige Aufgabe, mit neuen Methoden die neuronalen Grundlagen der Zuschreibung von Gedanken noch genauer zu bestimmen.
RUBIN / Albert Newen, Leon de Bruin
Stand: 29.04.2011