Viertel nach zwei. In der Nacht. Die diensthabende Rechtsmedizinerin schreckt aus dem Tiefschlaf, als das Telefon klingelt. Sie ist sofort hellwach, als ihr der Beamte des Kriminaldauerdienstes mitteilt, dass in einer Wohnung in Frankfurt-Eschersheim ein weiblicher Leichnam mit offenkundigen Stichverletzungen aufgefunden wurde.
Erste Untersuchung am Tatort
Kurze Zeit später trifft die Ärztin am Tatort ein. Hier sind bereits mehrere Beamte der Kriminalpolizei und des Erkennungsdienstes im Einsatz. Sie berichten knapp über den bisherigen Stand der Ermittlungen: Gegen 01:00 Uhr hörten Nachbarn Lärm und Geschrei aus der Wohnung und verständigten daraufhin die Polizei. Bei deren Eintreffen lag die 62-jährige Frau leblos im Schlafzimmer auf dem Fußboden. Ein sofort alarmierter Notarzt konnte nur noch den Tod der Frau feststellen. Von der Tatwaffe und dem Täter fehlt jede Spur.
Die Medizinerin zieht einen weißen Schutzanzug über, um die Übertragung von Spuren zu vermeiden, und betritt das Schlafzimmer. Sie findet den blutüberströmten Leichnam in Rückenlage vor. Insbesondere im Bereich von Kopf und Hals ist er von einer großen Blutlache umgeben. Auch der übrige Laminatboden, die zwei Betten, der Kleiderschrank sowie die Zimmerwände weisen Blutspuren auf.
Die Ärztin stellt bei der rechtsmedizinischen Leichenschau eine große, klaffende, scharfrandige Wunde am Hals sowie mehrere Stich- und Schnittverletzungen im Gesicht und in der linken Handinnenfläche fest. Zur Feststellung des Todeszeitpunktes misst sie die Temperatur und überprüft den Körper auf Totenflecken und Totenstarre. Danach heben die Bestatter den
Leichnam spurenschonend aus der Blutlache und bringen ihn in die Rechtsmedizin.
Sektion enthüllt die Todesursache
Im Kellersaal hat sich das Sektionsteam versammelt und beginnt ohne Verzögerung mit der gerichtlich angeordneten Leichenöffnung. Als Todesursache stellen sie Verbluten fest. Durch den Schnitt wurden zwei lebenswichtige Gefäße verletzt: Die Arteria carotis communis (gemeinsame Halsschlagader) und Vena jugularis interna (innere Drosselblutader) sind an der rechten Halsseite eröffnet. Schildknorpel (Cartilago thyroidea) und Speiseröhre sind durchtrennt. Da das Blut bis in die tiefen Atemwege eingeatmet wurde, folgert das Sektionsteam, dass das Opfer noch lebte, als ihm die Halsschnittverletzung beigebracht wurde. Die Verletzung in der linken Handinnenfläche deuten die
Spezialisten nach ihrer Lokalisation und Art als sogenannte aktive Abwehrverletzung: Das Opfer versuchte sich zu wehren und griff dabei in das Messer.
Forschung Frankfurt / Christina Kaiser, Silke Kauferstein, Esther Reuss und Cora Wunder
Stand: 25.06.2010