Früher war die Milchwelt noch in Ordnung. Man ging – wenn möglich – direkt zum Bauern um Milch zu holen oder man besorgte sie sich im Tante-Emma-Laden um die Ecke. Große Auswahl und Qualitätsunterschiede gab es damals nicht. Milch war eben Milch, nur musste sie relativ schnell verbraucht werden.
Heute dagegen ist alles anders. In den Supermärkten und Einkaufszentren gibt es alle Variationen von Milch, die das Herz begehrt: Rohmilch, Frischmilch, H-Milch, wahlweise mit 0,2, 1,5, 3,5 oder noch ganz anderem Fettgehalt. Dazu kommen Magermilch, Buttermilch und natürlich Milchdrinks in den verschiedensten Geschmacksrichtungen.
Milch, die länger frisch bleibt
In letzter Zeit jedoch hat ein weiteres Milchprodukt Einzug in die Läden gehalten – die so genannte ESL-Milch. Hinter dieser eher rätselhaften Bezeichnung versteckt sich eine Milch mit besonderen Eigenschaften. Denn ESL steht für „extended shelf life“ und damit für längere Haltbarkeit. Rund zwanzig Tage bleibt die Milch aufgrund spezieller Verarbeitungsmethoden bei ungeöffneter Verpackung genießbar. Dennoch darf sie als Frischmilch oder Vollmilch verkauft werden.
„Wir kritisieren vor allem die Kennzeichnung der Milch: Anders als bei der H-Milch und der pasteurisierten Frischmilch gibt es keine vorgeschriebene Kennzeichnung für ESL-Milch. Sie wird unter der Flagge ‚Frischmilch‘ verkauft. Die Anbieter nutzen Lücken im Gesetz“, kommentiert die Verbraucherzentrale Hamburg auf ihrer Website die aktuelle Situation und fordert eine klare Kennzeichnung. Die tatsächlich frische Milch wird dadurch aus vielen Geschäften fast schon verdrängt.
Schlechterer Geschmack, weniger Vitamine
Die ESL-Milch bewegt sich nicht nur rechtlich in einer Grauzone, auch ihre Qualität lässt offenbar zu wünschen übrig. So schnitten die ESL-Produkte nach Greenpeace-Angaben in Geschmackstests teilweise deutlich schlechter ab als traditionelle Frischmilch. Auch der Vitamingehalt der ESL-Milch ist im Vergleich deutlich geringer. Große Vorteile hat die ESL-Milch dagegen für die Supermärkte. Denn die Regale müssen nicht so häufig auf abgelaufene Produkte kontrolliert werden und es wird seltener, dafür aber mehr Ware auf einmal eingeräumt. Das spart Personal und damit Kosten.
Goldener Windbeutel 2010
Dass nicht nur Milch, sondern auch Milchdrinks längst nicht immer halten, was sie versprechen, zeigt das Beispiel „Zott Monte Drink“. Lange Zeit beworben als „gesunder“ Drink für Zwischendurch mit „wertvollem Traubenzucker“, entpuppte sich das Milchmischgetränk nach Untersuchungen von foodwatch wie viele andere Produkte für Kinder als wahre Kalorienbombe. In einer Flasche Zott Monte Drink ist danach mehr Zucker enthalten als in einer vergleichbaren Menge Cola. Bei einer Abstimmung im Internet ist der Zott Monte Drink daraufhin von Verbrauchern zum Goldenen Windbeutel 2010 gekürt worden – dem foodwatch-Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres.
Reagiert darauf hat Zott wie es in der Branche oft üblich ist: mit einer veränderten Werbestrategie – lecker und energiereich statt gesund – und einem lapidaren Statement, das jede Schuld von sich weist: „Zur aktuellen Kritik über die Nährwerte des Zott Monte Drink teilt das Unternehmen mit, dass Nährwerte wie Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate und Zucker eindeutig auf der Verpackung deklariert sind. Der Verbraucher kann sich umfänglich über diese Inhaltsstoffe informieren und in seine Kaufentscheidung einbeziehen. Im Hinblick auf die öffentliche Diskussion zu Zucker wird das Produkt Monte Drink Anpassungen und Verbesserungen in der Darstellung gegenüber den Verbrauchern wie in der Rezeptur erfahren.“
Dieter Lohmann
Stand: 26.11.2010