Wir schreiben die Zeit um 1200 vor Christus – eine Zeit des Umbruchs für den Nahen Osten und den gesamten östlichen Mittelmeerraum. Denn die großen Reiche der Bronzezeit – die Mykener, Hethiter und auch die Ägypter, sind im Niedergang begriffen.
Die Seevölker bringen den Umbruch
Ein Klimawechsel hat die Gebiete rund um das Mittelmeer trockener und kühler werden lassen, Ernteausfälle sind die Folge. Gleichzeitig dringen aus dem Osten die geheimnisvollen „Seevölker“ vor und erobern nach und nach immer mehr Küstengebiete. Woher diese von mehreren ägyptischen Pharaonen in ihren Aufzeichnungen erwähnten Krieger stammen, ist bis heute rätselhaft und stark umstritten.
Viele Archäologen vermuten jedoch, dass die „Seevölker“ auf Halbnomaden aus dem Balkan und dem südöstlichen Europa zurückgehen. Ausgelöst durch den Klimawechsel könnten sie damals gemeinsam mit Gruppen aus Anatolien und der Ägäis weit nach Westen und Süden vorgedrungen sein.
Kanaan zerfällt
Auch die Stadtstaaten Kanaans auf dem Gebiet des heutigen Israel und Libanon sind von diesem Wandel getroffen: Lange waren sie Vasallen Ägyptens, jetzt werden viele ihrer Königsstädte zerstört und Ländereien von Angehörigen der Seevölker besetzt. Viele Bewohner des alten Kanaan fliehen und vermischen sich teilweise mit Flüchtlingen aus dem Gebiet der Hethiter, die von Norden her in die Levante einwandern.
Als Folge ist Kanaan im elften Jahrhundert vor Christus ein komplexes Gemisch vieler kleinerer Völker und Regionalherrscher. Im Süden haben die Philister – wahrscheinlich Nachkommen der Seevölker – einen Fünf-Städtebund gegründet, zu dem unter anderem die Küstenstädte Gaza, Aschkelon und Aschdod gehören. Auf sie geht bis heute die Bezeichnung Palästina zurück. Östlich des Philistergebiets, jenseits des Toten Meeres, siedeln die Moabiter, wovon auch ägyptische Überlieferungen zeugen. Beide Völker werden im Alten Testament der Bibel als Gegenspieler Israels erwähnt.
Und die Israeliten?
In dieser Umbruchszeit liegen auch die Wurzeln der Israeliten, des Volks, dem der biblische König David angehört haben soll. Woher diese Volksgruppe allerdings kam und ob und wann sie begann, sich zu einem Königreich zusammenzuschließen, ist stark umstritten. Wo die Bibel vom „Einzug ins gelobte Land“ spricht, sehen Archäologen eher die Ansiedlung versprengter und aus ihren Städten vertriebener Kanaaniter, vermischt mit Flüchtlingen anderer Volksgruppen im Jordantal und dem umgebenden Hügelland.
Die älteste Erwähnung der Israeliten stammt von einer Toten-Stele des ägyptischen Pharaos Merenptah, datiert auf 1208 vor Christus. Auf ihr berichtet ein Hieroglyphentext von den Feldzügen des Pharaos – und auch über einen Sieg über eine Volksgruppe namens Jsrjr – Israel. Sie wird allerdings im Gegensatz zu anderen besiegten Gegnern nicht mit der Hieroglyphe für Stadt oder Staat gekennzeichnet, sondern mit Symbolen, die eher für eine Menschengruppe stehen.
Zu dieser Zeit war Israel daher vermutlich kaum mehr als eine Ansammlung von Bauerndörfern und Flüchtlingssiedlungen im Südwesten des heutigen Westjordanlands. „Dann begann ein langsamer Prozess, in dessen Verlauf sich die Israeliten von ihren kanaanitischen Vorfahren und Traditionen lösten“, erklärt William Dever, ehemals Professor für Archäologe an der University of Arizona. „Sie entwickelten eine neue Gottheit, neue religiöse Gesetze und Gebräuche – neue ethnische Marker, wie wir heute sagen würden.“
Nadja Podbregar
Stand: 25.05.2018