Um die Probleme bei den viralen Genfähren zu umgehen, experimentieren Genforscher seit einiger Zeit auch mit synthetischen Gentaxis. Dabei dienen speziell geformte Partikel als Überträger oder die Gene werden sogar ganz ohne Transporteur, als „nackte“ DNA in die Zelle geschleust.
Liposomen als Fähre
Bereits 2003 gelingt es Forschern der University of California in Los Angeles, erstmals Gene mit Hilfe von künstlich hergestellten Liposomen in das Gehirn von Affen einzuschleusen.
Umgeben von einer Fettsäurehülle gleichen diese nur rund 25 Nanometer großen Pakete den zelleigenen Transportbläschen und können daher mit der Zellmembran verschmelzen und ihren Inhalt in das Zellinnere abgeben. Damit die Bläschen nicht schon auf ihrem Weg durch die Blutgefäße von körpereigenen „Aufräumtrupps“ beseitigt werden, umgeben die Forscher die Liposomen zusätzlich mit einer Hülle aus Polyethylenglykol, was diesen vorzeitigen Abbau verhindert.
Damit die Genvehikel auch dort ankommen, wo sie hinsollen – in den Zellen des Gehirns – tragen sie zudem spezielle Antikörper auf ihrer Oberfläche, die wie ein Schlüssel zum Schloss an Andockstellen der Gehirnzellen in den Blutkapillaren der Hirngefäße passen. Haben sie diese Gefäße einmal erreicht, binden die Genfähren dadurch an diese Rezeptoren und werden in die Zellen eingeschleust. Allerdings hat auch diese Methode gleich zwei Haken: Zum einen stellen die Forscher fest, dass die Gentaxis ihre Fracht auch in anderen Organen deponieren – allerdings werden die Gene dort nicht aktiviert. Zum anderen werden die Ersatzgene in den Hirnzellen nicht ins Erbgut eingebaut – die Behandlung müsste daher wöchentlich oder monatlich wiederholt werden.
Per Elektroschock in die Zelle
Eine Variante ganz ohne virale oder künstliche Genfähren ist dagegen der Transfer von sogenannter „nackter“ DNA oder RNA. Die Wirtszellen werden dabei mithilfe von elektrischen Impulsen dazu gebracht, neue Gene oder aber die ein Gen blockierende RNA aufzunehmen. Einen ersten Erfolg mit dieser Methode haben 2006 Forscher der National Institutes of Health in Bethesda. Sie schleusen mit Hilfe dieser sogenannten Elektroporation vier Genabschnitte in Abwehrzellen von Patienten ein, die an metastasierendem Hautkrebs leiden. Diese Abschnitte enthalten Informationen über spezifische Oberflächenstrukturen der Krebszellen und eichen so die Killerzellen darauf, diese besser und schneller zu erkennen und abzutöten. In einem Test mit in Kultur gehaltenen Krebszellen erweisen sich die solcherart auf ihre „Beute“ vorbereiteten Killerzellen als deutlich effektiver als unveränderte.
Für den Einsatz im Patienten modifizieren die Forscher allerdings ihre Methode noch etwas und nutzen statt der Elektroporation dann doch einen eigens entwickelten retroviralen Vektor. Mit dessen Hilfe schleusen sie die Krebs-Erkennungsgene ex-vivo in die Lymphozyten von 15 Krebspatienten ein. Und sie haben Erfolg: Noch ein Jahr nach der Injektion der gentherapeutisch modifizierten Killerzellen kursieren diese im Blut der Patienten. Und die Metastasen des Hautkrebses sind in dieser Zeit messbar geschrumpft, wie die Forscher 2006 im Fachmagazin „Science“ berichten. Nebenwirkungen habe es dagegen keine gegeben.
Nadja Podbregar
Stand: 08.02.2013