Die globale Helioseismologie kann bereits auf eine ganze Reihe von Erfolgen zurückblicken. In der modernen Astrophysik spielen die Standardtheorien über Aufbau und Entwicklung der Sterne eine zentrale Rolle. Heutige Modelle beschreiben nicht nur den Aufbau der Sterne, sondern sagen auch deren Entwicklung voraus. Insbesondere ermöglichen sie es den Astrophysikern, Alter und chemische Zusammensetzung von Galaxien und dem Universum als Ganzem einzuschränken.
Die Sonne ist ein wichtiger Testfall für diese Theorien, denn sie ist der nächstgelegene Stern. Kein anderer Stern lässt sich so genau untersuchen wie sie. Ein entscheidender Punkt in den Sternmodellen ist die Frage, wie die Energie aus dem Zentralgebiet – wo sie bei Kernfusionsreaktionen freigesetzt wird – an die Oberfläche gelangt. Zunächst tragen Lichtteilchen (Photonen) die Energie aus dem Kernbereich fort. Auf ihrem Weg durch das Sonnenplasma geben sie einen Teil ihrer Energie bei zahllosen Absorptions- und Streuvorgängen mit Atomen ab. In den oberen Schichten, die immer dünner und kühler werden, ändert sich jedoch das Verhalten. Hier tritt die Konvektion ein, bei der überwiegend aufwallende Gasblasen die Energie weiter transportieren.
Gasblasen als Energiebündel
Eine der ersten spektakulären Entdeckungen der Helioseismologie war die Erkenntnis, dass sich diese äußere konvektive Hülle bis in eine Tiefe von 0,71 Sonnenradien erstreckt. Dies erlaubte es, das richtige Modell der Konvektionszone aus vielen sehr unterschiedlichen Vorhersagen herauszufinden.
Darüber hinaus mussten die bisherigen Werte für die Opazität, die Strahlungsdurchlässigkeit von Materie, revidiert werden, um das Temperaturprofil in den Modellen mit den helioseismologischen Daten in Übereinstimmung zu bringen. In irdischen Laboratorien wäre es nicht gelungen, die Opazitätswerte zu messen, weil sich dort die extremen Bedingungen im Sonneninnern nicht reproduzieren lassen.
Rätsel um vermeintlich „masselose“ Teilchen
Ein anderer herausragender Beitrag der Helioseismologie betrifft das solare Neutrinoproblem. Neutrinos sind Elementarteilchen, die in großer Zahl bei den Fusionsprozessen im Sonnenkern entstehen. Nahezu ungehindert durchqueren sie die Sonne und entweichen ins All.
Das Standardsonnenmodell sagte recht genau voraus, wie viele dieser Sonnenneutrinos auf der Erde ankommen müssten. Umso überraschter waren die Forscher, als sie mit ihren Messgeräten rund 30 Prozent weniger Neutrinos registrierten als erwartet. Anfangs vermuteten einige Wissenschaftler, Temperatur und Druck seien im Zentralgebiet der Sonne geringer als es die Standardmodelle vorhersagten. Dadurch würden dann auch weniger Neutrinos entstehen. Diese Hypothese erwies sich jedoch als unhaltbar, denn die Helioseismologie bestätigte schließlich die damaligen Modelle. Sie waren also nicht die Ursache für das Rätsel der Sonnenneutrinos.
Heute gilt es als sicher, dass das Standardmodell der Teilchenphysik nicht stimmte: Neutrinos besitzen – anders als bis dahin angenommen – eine Masse. Das ermöglicht es ihnen, auf dem Weg von der Sonne zur Erde ihre „Identität“ zu wechseln und in andere Rollen zu schlüpfen. Damit schien ein Teil von ihnen für die Neutrinodetektoren auf der Erde nicht zu existieren.
Seit diesen ersten Erfolgen hat sich die Helioseismologie wesentlich weiterentwickelt. Heute wendet man sie an, um lokale Effekte von Gasbewegungen oder Einflüsse des Magnetfelds zu ermitteln. Von zentraler Bedeutung ist die Suche nach Hinweisen auf die Entstehung und Variabilität des solaren Magnetfelds. Dieses spielt eine entscheidende Rolle bei der Sonnenaktivität, die mit einer Periode von etwa elf Jahren schwankt. Zu Zeiten starker Aktivität ereignen sich gewaltige Eruptionen auf der Oberfläche, und aus der äußeren Sonnenatmosphäre, der Korona, lösen sich riesige Plasmawolken, die mit hoher Geschwindigkeit das Planetensystem durcheilen.
Stand: 09.12.2005