Medizin

Hungern erleichtert die Chemo

Weniger Nebenwirkungen und bessere Heilungschancen

Das periodische Fasten hat bei Krebs noch eine andere heilsame Wirkung: Es hilft gesunden Zellen und besonders dem Immunsystem, die Chemotherapie zu überstehen. Das entdeckte Krebsforscher Valter Longo von der University of Southern California vor einigen Jahren bei Versuchen mit Mäusen.

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Unerwartete Widerstandskraft

Der Forscher ließ dafür einige krebskranke Mäuse für 48 Stunden hungern, andere bekamen normales Futter. Anschließend spritzte er allen Tieren ein Chemotherapeutikum – in drei bis fünffach höheren Dosis als normalerweise beim Menschen üblich. Das aggressive Zellgift, so die Erwartung, müsste daher schwere Nebenwirkungen auslösen.

Als einige Tage später ein Kollegin Longos nach den Mäusen sieht, erlebt sie eine Überraschung und berichtet Longo: „Du wirst es nicht glauben, aber wie es aussieht, haben alle fastenden Mäuse überlebt – und alle normalen Mäuse sind tot.“ Nähere Untersuchungen enthüllten, dass die Organe der toten Mäuse stark vom Chemotherapeutikum angegriffen waren, diejenigen der Fasten-Mäuse aber nicht.

Zellschutz und Regeneration

Wie Longo erklärt, ist auch dies dem Energiesparmodus zu verdanken, in den gesunde Zellen durch das Fasten verfallen. Weil sie kaum noch aktiv sind, sind sie weniger anfällig für das Zellgift des Chemotherapeutikums. Dadurch kommt es zu weniger Zell- und Organschäden. Die hungrigen Krebszellen dagegen fahren ihren Stoffwechsel sogar eher hoch und werden so noch angreifbarer.

2015 entdeckten Longo und seine Kollegen noch einen positiven Effekt des Fastens bei der Chemotherapie: Der kurzzeitige Nahrungsentzug führt auch dazu, dass sich das normalerweise stark angegriffene Immunsystem nach der Chemotherapie schneller erholt. Offenbar regt das Fasten Stammzellen im Knochenmark dazu an, vermehrt neue, gesunde weiße Blutkörperchen zu bilden.

Durch das Fasten werden nach einer Chemotherapie schneller neue weiße Blutkörperchen gebildet. © NCI

Stammzellen mobilisiert

„Wenn wir hungern, versucht der Körper Energie zu sparen. Und deshalb recycelt er eine Menge Immunzellen, die nicht gebraucht werden oder beschädigt sind“, erklärt der Forscher. Gleichzeitig sorgen Botenstoffe und Veränderungen der Genaktivität dafür, dass die Blutstammzellen aktiv werden und Nachschub produzieren. „Dadurch wird das ganze Immunsystem buchstäblich wideraufgebaut“, so Longo.

Und das Ganze funktioniert offenbar auch beim Menschen, wie erste Pilotstudien zeigen. So vertrugen Krebspatienten ihre Chemotherapie besser, wenn sie zuvor gefastet hatten. In einer anderen Gruppe erzielten Mediziner durch die Kombination von Fasten und einem weniger giftigen Krebsmedikament eine ebenso gute Wirkung wie durch ein aggressiveres Mittel. Und auch bei Bestrahlung scheint ein vorbereitendes Kurzzeit-Fasten die Wirkung der Therapie zu verstärken, aber die Nebenwirkung abzuschwächen.

„Fragen Sie ihren Onkologen!“

„Weil die Ergebnisse so bemerkenswert sind, denken wir, dass Onkologen darüber nachdenken sollten, ob und welche ihrer Patienten möglicherweise von einem Fasten in Kombination mit der Chemotherapie profitieren könnten“, sagt Longo. Gerade bei Krebspatienten, denen nur wenig andere Optionen bleiben, sei dies schon jetzt einen Versuch wert – vor allem, weil es noch Jahre dauern kann, bis die Ergebnisse klinischer Studien zu allen Krebstypen vorliegen.

„Wir sagen aber damit nicht, dass die Patienten rausgehen sollten und es einfach auf eigene Faust versuchen“, betont der Forscher. „Denn dafür gibt es zu viele potenzielle Probleme, die beim Fasten eines Krebspatienten auftreten können.“ Noch gilt auch hier, wie bei vielen anderen Erkenntnissen über das Fasten: Es sieht vielversprechend aus, aber es gibt noch zu wenig harte Daten.

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Nadja Podbregar
Stand: 11.03.2016

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Fasten als Heilmittel?
Eine alte Tradition im Licht der modernen Medizin

Eine alte Tradition
Die Renaissance des Fastens

Humbug oder Erbe der Urzeit?
Warum sollte Fasten biologisch sinnvoll sein?

Mangel macht langlebiger
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Was passiert beim Fasten?
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Fasten für Herz und Pankreas
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