Am 11. März 2010 tritt Hypatia nun erneut ins Rampenlicht der Geschichte: als Hauptfigur des Films „Agora – die Säulen des Himmels“. Der Film des spanischen Oscar-Preisträgers Alejandro Amenábar nimmt die Zuschauer mit auf die faszinierende Reise ins Alexandria des vierten Jahrhunderts und in die entscheidende Umbruchszeit zwischen Antike und Mittelalter.
„Vor vier Jahren, nach dem Film ‚Das Meer in mir‘, der für mich eine sehr persönliche Erfahrung war, hätte ich mir niemals vorstellen können, dass mein nächster Film von Römern und Christen im antiken Ägypten handelt“, erklärt der Regisseur Amenábar. Das Thema des Films, dessen Drehbuch er gemeinsam mit seinem Co-Autor Mateo Gil schrieb, destillierte sich erst allmählich heraus, erinnert sich Gil: „Wir recherchierten ein Projekt über die Menschen, die sich damals über die unmittelbaren Umstände ihrer Zeit erhoben, indem sie den Blick zu den Sternen am Himmel wandten und sich existenzielle Fragen über das Leben, den Kosmos und ihre Bedeutung stellten. Dabei stießen wir auf Hypatia und das Alexandria ihrer Zeit. Uns wurde klar, dass Hypatias Geschichte das gesamte Projekt auf den Punkt bringt.“
Spiegel der Gegenwart
„In Hypatias Alexandria kommen viele Elemente zusammen, die nicht nur für sich genommen interessant sind, sondern auch, weil sie eine erstaunliche Ähnlichkeit mit unserer Zeit aufweisen“, erzählt Amenábar. „Auf der einen Seite haben wir Hypatia, die von Vernunft geleitet werden möchte, die Dinge unaufhörlich in Frage stellt und nach Wahrheit sucht; sie will untersuchen, entdecken, denken, zweifeln. Auf der anderen Seiten gibt es einen Schmelztiegel der Religionen und Interessen mit internen Machtkämpfen, die das vierte Jahrhundert zu einer aufregenden Zeit machen.“
„Für viele markiert die Zeit, in der Hypatia lebte, das Ende des Zeitalters der Antike und den Beginn des Mittelalters“, so Amenábar weiter. „Der Film huldigt Wissenschaftlern im Allgemeinen. Er soll die Denktradition zeigen, der alle Astronomen im Verlauf von zweitausend Jahren gefolgt sind, denn wie jeder von uns haben sie eines Nachts einfach ihren Blick zum Himmel gewandt. Wenn ich den Himmel betrachte, empfinde ich eine Faszination und stelle mir alle möglichen Fragen, ohne eine Antwort darauf zu finden. Genau das haben die Wissenschaftler getan: Im Verlauf von Jahrtausenden haben sie Antworten gefunden.“
Die Filmkritikerin Natasha Senjanovic kommentierte im „Hollywood Reporter“ denn auch das Werk wie folgt: „Eine zeitgemäße Parabel über religiöse Intoleranz, erbarmungslose fundamentalistische Gewalt und die Machtlosigkeit von Vernunft und persönlicher Freiheit im Angesicht dieser Bedrohungen.”. Alejandro Amenábars ehrgeiziges Multimillionen-Euro-Epos avancierte 2009 in seinem Heimatland mit mehr als drei Millionen Besuchern bereits zum erfolgreichsten spanischen Film des Jahres und gilt mit insgesamt 13 Goya-Nominierungen als absoluter Favorit bei der diesjährigen Verleihung des spanischen Filmpreises.
Authentizität als Anspruch
Der Film hat den Anspruch, die Verhältnisse so authentisch wie möglich wiederzugeben. Unter anderem deshalb stützten sich Regisseur, Drehbuchautoren, Ausstatter, Kulissenbauer und Kamerapersonal auf wissenschaftliche Berater. Zu ihnen gehörten neben den Historikern Justin Pollard, Autor des Buches „The Rise and Fall of Alexandria – Birthplace of the Modern Mind“ und Elisa Garrido, Expertin für die Geschichte der Frau in der klassischen Antike, auch Geographen, Mathematiker und Astronomen, darunter Antonio Mampaso vom Observatorium der Kanaren auf dem Teide.
Astronomisch „korrekter“ Himmel
„Der Himmel, den wir im Film sehen, ist der echte Himmel“, erklärt Mampaso. „Wir haben versucht, den Himmel so wiederherzustellen, wie ihn Hypatia und ihre Zeitgenossen sahen. Der heutige Himmel ist nicht der gleiche. Die Position der Planeten hat sich geändert, und einige dieser Veränderungen vollziehen sich im Verlauf langer Zeiträume. Die Sternkonstellationen, die wir zu sehen gewohnt sind (Großer Wagen und Skorpion) verändern sich Stück für Stück durch die individuelle Bewegung der Sterne. Weil seit Hypatias Lebzeiten 1.600 Jahre vergangen sind, waren einige der Sterne, die wir heute sehen, damals nicht sichtbar (und umgekehrt), und alle haben ihre Position am Himmel leicht verändert.“
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nutzt der Regisseur in diesem Film möglichst wenig rein computergenerierte Einstellungen. „Wir beschlossen, so viele reale Kulissen zu bauen und zu drehen wie möglich“, erklärt Amenábar. „Digitale Veränderungen wurden nur mit großer Behutsamkeit und mit Rücksicht auf die Drehbedingungen vorgenommen. Kein einziges Detail von dem, was hinzugefügt oder überarbeitet wurde, sollte in irgendeiner Weise die Glaubwürdigkeit des Gezeigten untergraben.“
Geographie als Zeitreise
Die historisch korrekte Rekonstruktion von Stadt und umgebender Landschaft war eine echte Herausforderung, bei der sowohl geographisches, als auch historisches und gestalterisches Fachwissen gefragt war. „Wir mussten die gesamte Landschaft wiederaufbauen, nicht nur die Stadt, sondern auch ihre Geographie. Wir generierten die Inseln und Flüsse der damaligen Zeit“, erklärt Magoga Piñas, verantwortlich für die Rekonstruktion. „Zunächst mussten wir eine geographische Karte erstellen, um die Lage des Mareotis-Sees zu bestimmen, der vom Mittelmeer durch eine schmale Landenge getrennt ist, auf der Alexandria gebaut wurde. Als nächstes wurde eine Reihe von Kanälen als Basis der Landschaft gebaut, und dann begannen wir mit der Rekonstruktion der Stadt.“
Dabei folgten sie der Karte des antiken Alexandria. Allerdings sind sehr wenige Straßen der ursprünglichen, von Alexander dem Großen in Auftrag gegebenen Stadt heute noch erhalten. „Es war sehr wichtig, den originalen Straßenplan der Stadt wiederherzustellen, deshalb wandten wir uns an den Fachbereich für grafische Gestaltung der Polytechnischen Universität von Madrid. Dort verwies man uns an Daniel Aragonenses. Er erarbeitete einen Plan, der alle Entdeckungen der jüngsten Zeit einschloss: die Yale-Studien und Frank Godios Ausgrabungen im Meer. So entstand ein Gerüst, das so exakt wie möglich war“, sagt Piñas.
Der Film-Steckbrief:
Agora – Die Säulen des Himmels
Kinostart: 11. März 2010
Regie: Alejandro Amenábar
Drehbuch: Alejandro Amenábar, Mateo Gil
Produktion: Fernando Bovaira, Álvaro Augustin
Darsteller:
Hypatia: Rachel Weisz
Theon: Michael Lonsdale
Orestes: Oscar Isaac
Davus: Max Minghella
Synesios: Rupert Evans
Kyrill: Sammy Samir
Ammonius: Ashraf Barhom
u.v.a.
Nadja Podbregar
Stand: 11.03.2010