Der Ruf nach einer Neustrukturierung des Ruhrgebiets – sei es durch Schaffung einer eigenen Verwaltungseinheit oder durch Zusammenlegung der Städte zu einer Ruhrstadt – wir immer lauter. In diesem Punkt sind sich alle Parteien einig: Das Ruhrgebiet muss politisch handlungsfähiger werden und seine Interessen als Einheit wahrnehmen können.
Neben den Interessenskonflikten der Städte trägt die zersplitterte Verwaltung zur fehlenden Einheit des Ruhrgebiets bei. Das Ruhrgebiet wird auf kommunaler Ebene von rund 60 Rat- und Kreishäusern verwaltet. Auf regionaler Ebene sind die drei Regierungsbezirke Arnsberg, Düsseldorf und Münster für das Ruhrgebiet zuständig. Auch die Landschaftsverbände Westfalen und Rheinland teilen das Revier unter sich auf.
KVR als regionale Klammer
Im chaotischen Gefüge fungiert bislang nur der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) als regionale Klammer. Der KVR ist 1976 aus dem Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk (SVR) hervorgegangen. 1979 wurde durch eine Neufassung des Verbandsgesetzes die regionalplanerische Tätigkeit des KVR beschnitten. Seine Planungshoheit musste er an die jeweiligen Bezirksplanungsräte abgeben. So geht der KVR regionalplanerischen Tätigkeiten lediglich im Bereich der Freiraumplanung und ökologischen Siedlungsentwicklung nach. Eine übergeordnete regionale Planungsinstanz für das Ruhrgebiet, in der die einzelnen Fachplanungen zusammenlaufen, existiert nicht. Diese liegen in den Händen der Bezirksregierungen und Landschaftsverbände, woraus sich zahlreiche Abstimmungsprobleme ergeben.
Der Druck knapper Kassen hat kommunale Zusammenarbeit mancherorts jedoch bereits möglich gemacht. Die vier Städte Mühlheim, Gelsenkirchen, Oberhausen und Bottrop planen ihre Vermessungs- und Katasterämter zusammenzulegen. Es ist das erste Mal, dass derartige Aufgaben von Kommunen gemeinsam wahrgenommen werden. Ein weiteres stadtübergreifendes Gemeinschaftsprojekt im Kultursektor stellt die „Ruhr-Triennale“ dar. Unter einheitlicher Leitung sollen Kulturereignisse von internationalen Format geschaffen werden.
Bei der Neugliederung des Ruhrgebiets gehen CDU und Grüne am weitesten. Nach ihren Plänen sollen die bestehenden Regierungsbezirke und Landschaftsverbände aufgelöst und NRW fortan in die drei Regionalverbände Westfalen, Rheinland und Ruhrgebiet aufgeteilt werden. Das Ruhrgebiet bestünde also aus einen eigenen Verband mit einheitlicher Entscheidungsbefugnis über die Regionalplanung. Was bislang von mehreren Instanzen geregelt wird, würde so in einer Hand liegen.
Die Etablierung des Ruhrgebiets als eigene Verwaltungseinheit stößt bei der SPD auf Vorbehalte. Die SPD-geführte Landesregierung in Düsseldorf fürchtet ein Erstarken der Region Ruhrgebiet auf Kosten anderer Landesteile. Nach ihrem Willen soll die landeseigene Tochtergesellschaft „Projekt Ruhr GmbH“ als regionale Instanz planerische Aufgaben übernehmen. Diese wurde gegründet, um den Strukturwandel im Revier voranzutreiben und sich den Themen Mobilität, Bildung, Wirtschaft und Stadtqualität zu widmen.
Modell „Ruhrstadt“
In der jüngsten Diskussion setzt sich das Modell „Ruhrstadt“ immer stärker durch: Ein Zusammenschluss der Ruhrgebietsstädte zur Ruhrstadt. Ein Stadtverbund, mit übergeordneten Ruhrstadtparlament und einem Repräsentanten, der für die 5,4 Millionen Einwohner spricht.
„Ruhrstadt“ würde fortan regionale Aufgaben wahrnehmen. Eine einheitliche Wirtschaftsförderung könnte dann beispielsweise so aussehen: Eine übergeordnete Instanz vermarktet ruhrgebietsweit die Gewerbeflächen und sucht die unter infrastrukturellen, städtebaulichen und ökologischen Gesichtspunkten geeignetste heraus. Die Kommunen würden aus
einem gemeinsamen Gewerbesteuerpool bedient werden. Bislang noch Zukunftsmusik, denn im Ruhrgebiet sind noch nicht einmal
alle Gewerbeflächen erfasst worden.
Der Weg zur Ruhrstadt muss nach Meinung vieler Politiker von „unten“ kommen, also von den Bürgern mitgetragen werden. Die FDP geht hierbei am weitesten, sie will den Zusammenschluss der Städte über ein Bürgerbegehren entscheiden. Die Chancen für die Ruhrstadt stehen gut. Laut jüngsten Umfrage der WAZ, größte Tageszeitung in NRW, wünschen sich 90 Prozent der Bürger eine stärkere Zusammenarbeit der einzelnen Städte.
Die Ruhrstadt-Debatte darf nach Ansicht von Oliver Wittke, Oberbügermeister von Gelsenkirchen und Befürworter der Ruhrstadt, nicht nur „auf die politisch-administrativen Aspekte verkürzt werden“. Das Ruhrgebiet brauche vielmehr eine Adresse, ein Gesicht. Der ehemalige NRW-Bauminister Zöpel geht noch weiter und spricht gar von einer „global city“ mit Weltgeltung: Ruhrstadt als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum, das es nicht nur mit Berlin, sondern auch mit internationalen Metropolen wie London oder Paris aufnehmen kann.
Stand: 09.02.2002