Wenn es um die Wirkung der Akupunktur geht, wird von Befürwortern oft auf die Geschichte verwiesen. Schließlich, so ihr Argument, wird diese Heilkunst schon seit Jahrtausenden erfolgreich angewendet. Selbst wenn sich vieles nicht nachprüfen oder nachvollziehen lasse, die Tradition spreche für sich. Aber was genau verrät uns die chinesische Geschichte tatsächlich über die Kunst des Nadelns und ihre Erfolge?
Frühe Belege
Die Akupunktur als eine Methode der traditionellen Medizin hat in China in der Tat eine lange Tradition – so viel ist unstrittig. Schon vor gut 2.000 Jahren werden die Meridiane, verschiedene Nadeln und Stichtechniken in einer Sammlung chinesischer Schriften zur Inneren Medizin beschrieben. Zwar werden darin auch rund 160 Akupunkturpunkte erwähnt, ihre Lage ist jedoch nicht eindeutig zuzuordnen.
Etwa um 200 nach Christus erscheint das erste explizite Lehrbuch über Akupunktur. In ihm beschreibt Huangfu Mi 349 Akupunkturpunkte und gibt Hinweise auf deren Wirkungsweise. Und auch archäologische Funde untermauern die frühe Nutzung der Akupunktur als Heilkunst. So entdeckten Forscher im Grab eines 113 vor Christus bestatteten Prinzen aus der Han-Dynastie neun Akupunkturnadeln aus Silber und Gold als Grabbeigaben.
„Angriff des Windteufels“
Frühe historische Aufzeichnungen berichten in der Tat über bemerkenswerte Erfolge. So soll ein bekannter Akupunkteur im 6. Jahrhundert den damaligen Gouverneur der Shandong-Provinz instantan von Schulterschmerzen befreit haben. Nach Nadelung nur eines Punktes an der Schulter konnte der Mann wieder Bogenschießen, heißt es in den Chroniken der Tang-Dynastie.
Eine weitere historische Anekdote berichtet vom Hofarzt des Kaisers Tang Gaozhong, der im frühen 7. Jahrhundert schwere Kopfschmerzen seines Herrschers heilte. Der Arzt diagnostizierte, dass der „Angriff eines Windteufels“ auf den Kopf des Kaisers schuld an den Schmerzen sei und verkündete, dies ließe sich kurieren, indem er den Kopf mit Akupunktur ein wenig bluten ließe. Dies klappte tatsächlich und zum Dank erkannte der Kaiser die Akupunktur offiziell als Heilkunst an und gründete 618 eine erste behördliche Schule für Akupunktur.
Selbst die Chinesen zweifelten
Allerdings: Selbst die chinesischen Heilkundigen begannen im 17. Jahrhundert, das Konzept der Akupunktur anzuzweifeln. Es galt im Gegensatz zu Kräuterkunde als irrational und überholt und wurde vor allem von den gebildeteren Ärzten abgelehnt. 1822 ließ der chinesische Kaiser Dao Guang die Akupunktur sogar verbieten, sie durfte an der kaiserlichen Medizinakademie nicht mehr unterrichtet werden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Akupunktur sogar allgemein verboten, um der chinesischen Medizin ein moderneres, wissenschaftlicheres Fundament zu geben.
Wieder zum Leben erweckt hat die Akupunktur in China – ausgerechnet – der kommunistische Führer Mao Tse-tung. Zwar hielt auch er nicht viel von den alten Traditionen und zunächst blieb auch unter der Herrschaft der kommunistischen Partei das Nadeln verboten. Doch in den 1950er Jahren war der Mangel an ausgebildeten Ärzten in China so groß, dass Mao rund 500.000 nach der traditionellen Medizin ausgebildete Heilkundige als „Barfußärzte“ ins Land schickte. Seine staatliche Anerkennung der Akupunktur war daher wohl eher aus der Not geboren als aus Überzeugung.
Nadja Podbregar
Stand: 04.09.2015