Die Offenheit der Wikipedia-Plattform ist ihre Stärke, aber auch eine Schwäche: Denn prinzipiell kann jeder einen Artikel so editieren, wie es dem Zitierenden gerade gelegen kommt – und das schließt auch böswillige Falschangaben nicht aus.
Auf den Leim gegangen
So konnte man etwa erst kürzlich in der englischsprachigen Wikipedia lesen, die Stadt York sei vom Krümelmonster gegründet worden. Immerhin werden derart offensichtliche Formen des Vandalismus meist schnell behoben: In diesem Fall wurde bereits nach einer Minute die alte Version des Artikels durch einen automatisch agierenden “Bot” wiederhergestellt.
Allerdings gelingt gerade in weniger klaren Fällen eine solche Korrektur nicht immer so zügig, was in Einzelfällen erstaunliche Auswirkungen haben kann: Als der damalige Bundespräsident Horst Köhler 2007 der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen das Silberne Lorbeerblatt verlieh, verwies er in seiner Rede auf ein Bügelbrett, das 1989 noch zur Siegprämie für eine gewonnene Europameisterschaft gehört habe.
Dabei handelte es sich jedoch um den boshaften Scherz eines Wikipedia-Autors, der dann von verschiedenen Massenmedien und schließlich auch vom Bundespräsidenten übernommen wurde. Derartige Beobachtungen stellen in Frage, ob die häufig im Zusammenhang mit Wikipedia optimistisch verwendete Formel einer „Weisheit der Vielen“ wirklich angemessen ist.
Zu komplex für das Kollektiv?
Noch schwieriger ist es in den meist komplexen wissenschaftlichen Themengebieten. Denn hier sind Fehler in den Einträgen wesentlich weniger leicht zu identifizieren. Ähnliches gilt, wenn nicht nur Fehler korrigiert werden, sondern komplexe Sachverhalte angemessen dargestellt werden sollen. Hier bleiben immer gewisse Interpretations- und Gestaltungsspielräume, die von Wikipedia durch eine ganze Reihe von Richtlinien und Regeln zum Teil vorstrukturiert werden.
So sollen Artikel etwa eine spezifische enzyklopädische Form unter Einhaltung diverser Relevanzkriterien anstreben und Autoren werden aufgefordert, einen möglichst neutralen Standpunkt einzunehmen. Wie diese Prinzipien konkret angewendet werden, bleibt jedoch oftmals Interpretationssache und führt nicht selten zu intensiven Auseinandersetzungen auf Diskussionsseiten, die an jeden Artikel angegliedert sind.
René König für bpb.de/ CC-by-nc-nd 3.0
Stand: 29.01.2016