Indem es die Ausschüttung von Botenstoffen wie Serotonin ankurbelt, fördert Sonnenlicht sowohl unsere körperliche als auch unsere geistige Leistungsfähigkeit. Untersuchungen zeigen zum Beispiel: Stattet man Büro-Arbeitsplätze mit Lampen mit einem für Tageslicht typischen Blauanteil aus, verbessert sich die Konzentrationsfähigkeit der Mitarbeiter.
Und sogar bei Menschen mit schweren neuronalen Defiziten kann Licht offenbar kleine Wunder bewirken. So scheint sich möglichst helle Beleuchtung am Tag positiv auf nächtliche Verwirrtheitszustände von Alzheimerkranken auszuwirken. Einige Studien legen zudem nahe, dass gezielte Lichtbehandlungen auch eine generelle Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten herbeiführen – zumindest bei Patienten mit leichter Demenz.
Dumm durch Dämmerlicht?
Wie groß der Einfluss des Lichts auf unser Denkvermögen tatsächlich sein könnte, darauf haben Experimente mit Ratten kürzlich erste, erstaunliche Hinweise geliefert: Joel Soler von der Michigan State University in East Lansing und seine Kollegen ließen Nager vier Wochen lang tagsüber im Dunkeln sitzen. Sie bekamen nur sehr schwaches Licht mit einer Stärke von 50 Lux zu sehen.
Dieser Lichtentzug hatte einen drastischen Effekt: Nach der langen Phase im Dämmerlicht waren die Tiere offenbar kognitiv eingeschränkt. Sie lernten und erinnerten sich schlechter als zuvor. Beispielsweise schnitten sie bei einem Navigationstest, bei dem sie sich die räumliche Position einer unter Wasser versteckten Plattform merken mussten, deutlich schlechter ab.
Strukturelle Veränderungen
Warum, zeigte ein Blick ins Gehirn der Nager. So hatte sich durch den Lichtmangel die Struktur ihres Denkorgans sichtbar verändert. Im Hippocampus war weniger eines für das Wachstum neuer Neuronen und Synapsen wichtigen Wachstumsfaktors vorhanden. Zudem fehlten bereits etliche Verbindungsstellen zwischen den Neuronen – die Kommunikation der Nervenzellen war gehemmt. Durch eine intensive Licht-Kur ließ sich dieser Effekt später wieder rückgängig machen.
„Diese Ergebnisse zeigen, dass Tageslicht nicht nur die kognitive Leistungsfähigkeit, sondern sogar die strukturelle Plastizität des Gehirns beeinflusst“, schreiben die Forscher. Doch wie ist dieser Effekt zu erklären? Soler und seine Kollegen glauben, dass das Licht neben dem Neurotransmitter Serotonin auch die Produktion eines bedeutenden Neuropeptid-Hormons namens Orexin beeinflusst – eine Substanz, die vielfältige Hirnfunktionen steuert.
Neue Therapiemöglichkeiten?
Gelten diese Zusammenhänge auch beim Menschen, verdeutlicht dies einmal mehr, wie groß die Macht des Lichts über unseren Körper und unsere Psyche ist. Wissenschaftler wollen die Auswirkungen des Lichts auf das Gehirn künftig weiter erforschen. Sie hoffen, dass diese Erkenntnisse eines Tages neue Möglichkeiten für die Prävention und Therapie von kognitivem Verfall und neurodegenerativen Erkrankungen eröffnen.
Daniela Albat
Stand: 02.03.2018