Gegensätzlicher kann das Handwerkszeug eines Geowissenschaftlers nicht sein. In den Arbeitsräumen von Hans-Peter Bunge an der Münchner Theresienstraße steht ein leistungsstarker
Computer, der an eines der größten Rechenzentren Deutschlands angeschlossen ist, und ein Instrument, mit dem sich bereits Naturgelehrte früherer Jahrhunderte einen Überblick über die
Erde verschafften: eine große Weltkugel. Sie hat einen Durchmesser von gut einem Meter und zeigt die Kontinente und Meere allerdings in einem modernen Kartenbild als Relief mit allen Höhen und Tiefen.
Blick unter die dünne Hülle des Planeten
Den Globus im Blick und den Hochleistungsrechner zur Hand arbeitet Bunge mit seinem Team an einem Großbild der Erde. „Wir wollen alles in einen Zusammenhang stellen“, erklärt der Leiter des Geophysik- Lehrstuhls an der LMU, „die dünne äußere Hülle unseres Planeten mit ihren Gebirgen,
Tälern und Ebenen unter und über dem Meeresspiegel – und dazu die gewaltigen, bisher nahezu unbekannten Gesteinsmassen in ihrem Innern, die teils fest, teils glutflüssig immer in Bewegung sind.“ Denn beides ist eng miteinander verbunden.
Alles, was die Erdoberfläche prägt, hat seine Ursache im Erdinneren. Und umgekehrt hat alles, was sich auf der Oberfläche abspielt, auch Auswirkungen auf die Vorgänge in der Tiefe unseres Planeten.
Im Fokus des Unternehmens stehen derzeit der Südatlantik und die beiden Kontinente, die ihn im Westen und Osten begrenzen, Südamerika und der Süden Afrikas. SAMPLE heißt das Forschungsprojekt, an dem rund 100 Experten von renommierten Einrichtungen in Deutschland und internationalen Partner-Instituten arbeiten.
Fahndung am Kontinentrand
SAMPLE steht als Abkürzung für „South Atlantic Margin Processes and Links with onshore Evolution“,
für „Prozesse an den Kontinentalrändern des Südatlantiks und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der Landmassen“. Die Wissenschaftler des SAMPLE-Projekts nehmen das riesige Stück Erdkugel im Bereich des Südatlantiks genau unter die Lupe, sammeln und analysieren Gesteinsproben, vermessen das Relief an Land und unter dem Meer, durchleuchten mithilfe geophysikalischer Methoden den Ozeanboden und untersuchen anhand von Erdbebenwellen, die den ganzen Globus durchlaufen, sogar die innersten Strukturen unseres Planeten.
Zu ihren Forschungsthemen gehören die Konvektionsströmungen im Erdmantel und andere magmatische Prozesse im Erdinnern, die Struktur der Lithosphäre, der äußeren harten Gesteinsschale der Erde, die Entstehung von Bruchzonen und deren Topografie, außerdem Sedimentationsprozesse und Fluidsysteme in den tieferen Gesteinsschichten und darüber hinaus die Effekte all dieser Phänomene auf die großräumigen Bewegungen der Erdkruste, die Tektonik und auch auf das Klima.
Angelika Jung-Hüttl / „Einsichten – Das Forschungsmagazin“ der Ludwig-Maximilians-Universität München
Stand: 30.03.2012