Rund 60.000 Kilometer über der Erdoberfläche wird es stürmisch. Denn hier liegt der nächste Schutzschild unseres Planeten, der Außenring des Van Allen Gürtels. Der größte Teil der kosmischen Strahlung und der Sonnenwindteilchen, die nicht schon beim Kontakt mit der Magnetsphäre abgelenkt wurden, scheitern hier. Denn sie werden nun von den magnetischen Feldlinien eingefangen und umgelenkt.
Pendelnde Raser
Der Grund dafür: Der größte Teil der kosmischen Strahlung und das Plasma der Sonnenstürme bestehen aus geladenen Teilchen. Diese jedoch werden in einem Magnetfeld von der Lorentzkraft beeinflusst und sie aus ihrer Bahn gelenkt. Die Teilchen fliegen nun in einer spiraligen Bewegung die Magnetfeldlinien entlang. Wenn sie jedoch in die Nähe der Pole gelangen, werden sie von den immer dichter zusammenlaufenden Linien gebremst und schließlich zur Umkehr gezwungen.
Als Folge pendeln die energiereichen Teilchen immer zwischen den beiden Polargebieten hin und her. Der äußere Van-Allen-Gürtel bildet dadurch keine gleichmäßige Hohlkugel, sondern liegt wie ein gewaltiger Schwimmring um den Äquator der Erde. Bei besonders starken Sonnenstürmen schafft es ein Teil der in diesem Ring gefangenen Teilchen, dem Magnetfeldkäfig zu entkommen und in Polnähe tiefer in die obere Atmosphäre einzudringen. Die Wechselwirkung dieser Elektronen und Protonen mit den Luftmolekülen regt diese zum Leuchten an – ein Polarlicht entsteht.
Mit 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit
Was passiert, wenn ein Sonnensturm auf die Barriere des Van Allen Gürtels trifft, konnten Forscher im Herbst 2013 mit Hilfe zweier NASA-Sonden live beobachten: Die 60 Sekunden dauernde Kollision des Plasmas mit dem äußeren Van-Allen-Gürtel drückte zunächst eine tiefe Delle in den Strahlenring. Dann jedoch federte der Gürtel zurück und begann zu schwingen wie eine Glocke. Der Impakt der solaren Plasmawolke erzeugte Wellen, die die Elektronen des äußeren Van Allen Gürtels wie kleine Wellenreiter mitrissen und enorm beschleunigten.
Wie Forscher erst vor kurzem herausfanden, stammen aber längst nicht alle Elektronen des äußeren Strahlengürtels aus Sonnenstürmen oder der kosmischen Strahlung. Stattdessen reißen die mächtigen, niederfrequenten Wellen im Ring auch immer wieder Elektronen aus dort vorhandenen Atomen. Sie verpassen ihnen dabei so kräftige Schübe, dass sie schließlich bis zu 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen.
Das Rätsel des dritten Rings
Im Jahr 2012 entdeckten NASA-Raumsonden Überraschendes: Innerhalb des äußeren Van Allen Gürtels bildete sich plötzlich ein dritter Strahlenring. Dieser blieb einige Wochen stabil, bis er dann allmählich schwächer wurde und verschwand. Die Ursache für dieses rätselhafte Phänomen konnten Forscher erst im Juni 2016 aufklären.
Wie sie herausfanden, spielen auch dafür die niederfrequenten Plasmawellen im Strahlengürtel die entscheidende Rolle: Bei einem Sonnensturm schaukeln sie sich so stark hoch, dass sie wie ein Tsunami auf den äußeren Gürtel treffen und ihn extrem ausdünnen. Nur sein dichterer innerer Rand bleibt dann stehen. Dann schwappen die Wellen wieder zurück und füllen den Außenteil wieder mit Elektronen auf. Für kurze Zeit sieht es dadurch so aus, als gäbe es drei Ringe.
Nadja Podbregar
Stand: 15.07.2016