Handys und Funkverbindungen fallen aus, Pipelines zerbersten und ganze Regionen versinken im Blackout – bloße Horrorszenarien oder realistische Befürchtungen? Welche Auswirkungen kann ein starker Sonnensturm tatsächlich auf der Erde haben? Welche Bereiche sind betroffen?
Satelliten
Während des solaren Maximums emittiert die Sonne besonders viel energiereiche extrem-ultraviolette Strahlung (EUV). Trifft sie auf die Erdatmosphäre, heizt diese sich auf und dehnt sich aus. Dadurch verändern sich Dichte und Reibungswiderstand der Atmosphäre im Bereich der Umlaufbahnen von Satelliten und anderen Objekten. 1989 musste deshalb allein die amerikanische Raumfahrtbehörde die Bahnen 1.000 Satelliten neu berechnen. Da gleichzeitig mit den aktiven Satelliten auch der Weltraumschrott im Orbit ausgelenkt wird, wächst das Risiko von Zusammenstößen – normalerweise sind die Bahnen der mehr als 6.000 fliegenden Schrottteile bekannt und sie können daher vermieden werden.
Raumstationen wie ISS und Mir und das Weltraumteleskop Hubble verlieren schon unter normalen Umständen pro Jahr mehrere Kilometer Höhe und müssen – da sie keine eigenen Antriebsdüsen besitzen – regelmäßig mithilfe des Spaceshuttles wieder höhergeschleppt werden. Während des solaren Maximums verstärkt sich dieser „orbital decay“ genannte Effekt erheblich.
Kommunikation
Ein solares Maximum kann die Kommunikationsverbindungen gleich auf mehreren Wegen stören. Erhöhte Radiowellenemissionen von der Sonne können die Empfängersysteme regelrecht überschwemmen. 1940 versetzte ein Sonnensturm auf diese Weise die Briten in Panik – ihr Flugabwehrradar lief plötzlich Amok und fiel dann ganz aus. 1984 soll ein solares Flare die Kommunikation der Air Force One mit US Präsident Reagan an Bord unterbrochen haben, als er auf dem Weg zu einem Staatsbesuch in China war.
Während einen Sonnensturms verändert sich auch die Zusammensetzung der Ionosphäre, deren untere Grenze für viele Langstreckensignale als Reflektor dient. Als Folge kommen die Signale nur verzerrt oder gar nicht mehr an. GPS basierte Navigationssysteme könnten während des solaren Maximums ebenfalls falsch anzeigen oder ausfallen, da die Satelliten zum Teil aus ihrer geostationären Bahn ausgelenkt werden und auch die von ihnen benutzten Ultrakurzwellenfrequenzen gestört werden.
Raumfahrt
Neben den Störungen an elektronischen Bestandteilen von Satelliten und Raumstationen gefährdet die verstärkte Strahlenemissionen der Sonne auch die Astronauten im All. Während des solaren Maximums 1972 hätte die einfallende Strahlendosis gereicht, um auf dem Mond herumlaufende Astronauten zu töten – glücklicherweise traten diese Spitzenwerte genau zwischen zwei Apollomissionen auf. Die Besatzung der Raumstation Mir überschritt während des Sonnensturms im März 1989 innerhalb weniger Stunden ihre gesamte zulässige Jahresdosis an harter Strahlung.
Das kommende 23. solare Maximum soll, so schätzen die Forscher, eine ähnliche Stärke erreichen. Einige mit vielen Außeneinsätzen verbundene Konstruktionsarbeiten an der internationalen Raumstation ISS waren ursprünglich für die zweite Jahreshälfte geplant – ein hohes Risiko für die Astronauten. Wegen des inzwischen ohnehin verschobenen Zeitplans bleibt den Astronauten ein solcher Eisatz daher – zumindest vorerst – erspart.
Stromversorgung
Am 13. März 1989 brach das gesamte Stromnetz der kanadischen Provinz Quebec zusammen, als die Energie einer koronalen Masseneruption in die Stromleitungen einschlug. Die geomagnetisch induzierten Ströme, die bei Sonnenstürmen entstehen können, überlasten Transformatoren und Leitungen und lassen Sicherungen durchbrennen.
Die Stromversorgungsnetze der USA und Kanadas sind besonders gefährdet, da sie sehr weit nach Norden reichen und zudem die meisten ihrer Masten auf nicht isolierendem Urgestein stehen. Forscher des amerikanischen Oak Ridge National Laboratory schätzen den wirtschaftlichen Schaden eines Sonnensturms der Größenordnung von 1989 auf drei bis sechs Milliarden Dollar. Um Schäden dieses Ausmaßes zu vermeiden, haben die Stromgesellschaften teilweise bereits zusätzliche Sicherungssysteme installiert und Möglichkeiten der Umleitung von Strömen erkundet.
Pipelines
Während des letzten solaren Maximums explodierte eine Gaspipeline und zerstörte dabei Teile der Transibirischen Eisenbahnstrecke. Während anfangs Sabotage vermutet wurde, hält man heute die Sonne für den „Schuldigen“: Massive elektromagnetische Strahlung erzeugt starke Ströme, die – besonders wenn sie durch lange ununterbrochene Rohrsysteme fließen – die Korrosion von Metallteilen erheblich beschleunigen können. Neuere Pipelines sind daher heute so konstruiert, dass sie gegen diese Art der „Sonnenalterung“ speziell geschützt sind. Die Anfälligkeit der alten Öl- und Gasleitungen bleibt allerdings bestehen…
Stand: 21.06.2000