Mit einer anderen Art von Umweltveränderung in Städten beschäftigt sich Bart Kempenaers, Direktor der Abteilung Verhaltensökologie und evolutionäre Genetik in Seewiesen: dem allgegenwärtigen Kunstlicht auf Straßen und Plätzen. Er hat festgestellt, dass männliche Blaumeisen sich erfolgreicher
paaren, wenn sie in der Nähe von Straßenlaternen leben.
„Dass wir darauf gekommen sind, war eigentlich Zufall“, verrät der aus Belgien stammende Verhaltensforscher. Er untersuchte vor ein paar Jahren in einer großen Feldstudie das Brutverhalten von Blaumeisen. „Die Tiere zeigen dabei eine große Variationsbreite: Sie leben zum Teil monogam, zum Teil mit mehreren Partnern, wieder andere haben zwar einen festen Partner, sie gehen aber darüber hinaus auch noch fremd“, erzählt Bart Kempenaers. In der Studie ging es unter anderem auch darum, durch Vaterschaftstests aus DNA-Proben herauszufinden, welche Männchen erfolgreich fremdgehen und die meisten Nachkommen zeugen.
Der frühe Vogel fängt die Frau
Das überraschende Resultat: Am erfolgreichsten waren Tiere in der Nähe von Straßenlaternen „Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass sie durch das künstliche Licht morgens früher zu zwitschern beginnen und dadurch die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich ziehen“, erklärt Kempenaers. Der frühe Vogel fängt also die Frau. Tatsächlich beginnen männliche Blaumeisen dank des künstlichen Lichts etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten früher zu singen.
Bei Amseln ist der Effekt sogar noch größer. Außerdem beginnen Vogelweibchen unter Kunstlicht einige Tage früher mit dem Eierlegen. Licht wirkt sich also nicht nur auf den Tagesablauf aus, sondern auch auf saisonale Abläufe wie den Beginn der Fortpflanzung.
Welche Auswirkung die Lichtverschmutzung sonst auf die Tiere hat, ob sie etwa ihren Stoffwechsel oder die Lebenserwartung beeinträchtigt, ist noch völlig unklar. „Als ich vor zwei Jahren begann, mich mit dem Thema Lichtverschmutzung zu beschäftigen, war ich überrascht, wie wenig man darüber weiß“, sagt Bart Kempenaers. Er ist allerdings überzeugt, dass der veränderte Tag-Nacht-Rhythmus nicht zwangsläufig negative Konsequenzen nach sich zieht.
Stefanie Reinberger / MaxPlanck Forschung
Stand: 05.04.2013