Das acatech-Themennetzwerk Nanotechnologie beobachtet seit längerer Zeit die Diskussion um Chancen und Risiken der Nanotechnologie sowie die merkwürdige Situation, dass durch immer weitere Studien die Situation eher unübersichtlicher wird. Daher haben wir uns entschlossen – gemeinsam mit Leopoldina und Akademienunion –, die Anwendungen in den Blick zu nehmen, die uns Menschen unmittelbar betreffen: In Medizin, Kosmetik und Ernährung rücken Nanotechnologien den Konsumenten buchstäblich zu Leibe.
Dabei stellen sich viele Fragen zu Chancen, Risiken und Problemlösungen: Was können wir uns von der Nanomedizin erhoffen? Wie wirken Nanomaterialien in Kosmetik? Wie schmeckt „Nano“ – und ist es gesund? Müssen wir auch bei Verbraucherprodukten künftig den Beipackzettel lesen? So fand Ende 2010 in München ein Akademiensymposium statt, dessen Ergebnisse vor Kurzem als Sammelband veröffentlicht wurden. Neben der Darstellung der wissenschaftlich- technischen Chancen und Herausforderungen nahm dabei insbesondere die Diskussion von Kommunikationsaspekten breiten Raum ein.
Drei Punkte als Richtschnur
Der Stuttgarter Techniksoziologe Ortwin Renn und seine Kollegin Antje Grobe benannten dabei drei Punkte, die für einen konstruktiven Umgang mit Nanotechnologien (wie auch mit jenem anderer neuer Technologien) wichtig sind: Erstens stellten sie klar, dass Wissen heute zwar zunehmend mehrdeutig und unsicher ist, aber keineswegs beliebig. Im Rahmen der Risikobewertung ist es vor allem wichtig, die Bandbreite des methodisch noch vertretbaren Wissens abzustecken und das Absurde von dem Möglichen, das Mögliche von dem Wahrscheinlichen und das Wahrscheinliche von dem Sicheren zu trennen.
Zweitens hoben Renn und Grobe hervor, dass Expertenwissen und Laienwahrnehmung eher als einander ergänzend denn als gegensätzlich eingestuft werden sollten. Die Risikoakzeptabilität könne nicht durch Fachwissen bestimmt werden, aber angemessenes Fachwissen sei die notwendige Voraussetzung, um zu einem wohlüberlegten Urteil über Akzeptabilität kommen zu können. Verantwortliches Handeln müsse sich daran messen, wie sachlich adäquat und moralisch gerechtfertigt Entscheidungen angesichts von Unsicherheiten getroffen werden. Wenn man Risiko rational und fair beurteilen möchte, sei es unabdingbar, sowohl ethisch gerechtfertigte Bewertungskriterien und -standards anzuwenden als auch das beste zur Verfügung stehende systematische Wissen einzubinden.
Drittens beruhen Entscheidungen über die Zumutbarkeit von Risiken letztendlich immer auf einer subjektiven Abwägung, in die Wissen und Werte eingehen. Ein Diskurs ohne systematische Wissensgrundlage bleibt leeres Geschwätz, ein Diskurs, der die moralische Qualität der Handlungsoptionen ausblendet, verhilft der Unmoral zum Durchbruch, wie es Renn und Grobe formulierten. Moralität und Sachkompetenz sind beide gleichgewichtig in den Risikodiskurs einzubinden.
Wolfgang M. Heckl und Marc-Denis Weitze / MaxPlanckForschung
Stand: 08.11.2013