Die Einmaligkeit und daher besondere Schutzwürdigkeit des Baikalsees erkannte man bereits zu Anfang unseres Jahrhunderts: 1916 etablierte der russische Zar Nikolaus der II. den „Barguzinsky Zapovednik“, das erste Naturschutzgebiet am Nordostufer des Sees. Mit 375.000 Hektar umfasste es zwar nur einen Bruchteil des Baikalbeckens, aber der Anfang war gemacht – so schien es.
Nach der russischen Revolution und der Gründung der Sowjetunion geschah allerdings erst einmal gar nichts mehr. Im Gegenteil: Die mehr auf wirtschatlichen und industriellen Fortschritt ausgerichteten Regierungen taten alles, um auch in dieser Region eine industrielle Infrastruktur zu schaffen.
Die Städte im Einzugsgebiet des Sees wuchsen dadurch schneller als ihre Kanalisation und die Abwässer flossen ungeklärt in den See. 1966 wurde das Zellstoffkombinat Baikalsky eröffnet, um auch bei einem eventuellen US Embargo die Sowjetunion mit der für Raketen- und Flugzeugbau wichtigen Zellulose zu versorgen. Noch heute ist dieses Papier- und Zellstoffwerk die Hauptquelle für die Verschmutzung des Sees
Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre wurden wieder neue Anstrengungen unternommen, das Gebiet rund um den See und den See selbst vor weiteren Zerstörungen zu schützen. 1969 enstand das Baikalsky Naturschutzgebiet, wenig später kamen die Reservate Kabansky und Frolikhinskiy dazu. Trotz dieser Bemühungen blieben noch immer weite Teile des Sees und des umliegenden Landes ohne Schutz.
Das Jahr 1986 markierte allerdings einen ersten Meilenstein für ein umfassenderes Konzept: Im Rahmen des UNESCO Mensch und Biosphäre-Programms erhielt in diesem Jahr der Baikalsee den Status eines Biospärenreservats. Damit waren umweltschädigende Aktivitäten zwar weitaus weniger strengen Beschränkungen unterworfen als in Naturschutzgebieten, dafür wurde erstmals die Region als ganzes für schutzwürdig erklärt. Zeitgleich dazu entstanden drei weitere Nationalparks am Ufer des Sees.
Inzwischen hatte sich auch die sowjetische Führung den Schutz des Baikalgebiets als Ganzem zu eigen gemacht: Ein Jahr nach der Ernennung zum Biosphärenreservat wurde eine Baikalsee-Uferschutzzone eingerichtet. Sie sollte den See und seinen Flora und Fauna schützen, indem industrieller Holzeinschlag, Brandrodung und die Flößerei im gesmaten Ufergebiet verboten wurde. Durch das Fällen der Bäume und dem anschließenden Transport der Stämme auf dem See wurden besonders die Laichgebiete vieler endemischer Fischarten zerstört.
1996 unterzeichnete Boris Jelzin nach jahrelangem Zögern ein neues, strengeres Schutzgesetz für den Baikalsee. Während die Duma, das russische Parlament, den Aspekt des Naturschutzes stärker berücksichtigt haben wollte, beharrte der russische Präsident auf Freiräumen für einen wirtschaftliche Entwicklung der Region. Erst durch die Vermittlung internationaler Experten, darunter auch deutscher Juristen, konnte eine Lösung gefunden werden, die beides ermöglicht.
Alle Schutzgebiete und internationalen Bemühungen konnten jedoch nicht verhindern, dass im Laufe der Zeit das Wasser des Sees immer stärker verschmutzt wurde. Hauptquellen waren und sind dabei neben den beiden direkt am Ufer gelegenen Zellstofffabriken Baikalsky und Selenginsk vor allem der Selenga. Obwohl im letzten Jahrzehnt mehr als 100 Kläranlagen entlang des Flusses gebaut wurden, spült die Flußmündung noch immer stark verschmutztes Wasser in den See.
1996 erkannte auch die UNESCO die Dringlichkeit. Sie ernannte das gesamte Baikalbecken zum Weltnaturerbe. Besorgte Naturschützer in aller Welt schöpften neue Hoffnung…
Stand: 07.12.1999