Über welche Module das so genannte Tau-Protein in den Nervenzellen von Alzheimer-Patienten so zerstörend wirken kann, haben jetzt Max-Planck-Forscher mithilfe der Kernspinresonanz-Methode aufgeklärt. Sie berichten über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „PLoS Biology“.
Vertraute alltägliche Handgriffe fallen einem nicht mehr ein, Gegenstände bleiben unauffindbar, Neues bleibt nicht hängen. Für weltweit fast 30 Millionen Menschen ist dies Realität. Sie leiden an der Alzheimer-Krankheit, einer irreversiblen Form der Demenz, die mit Gedächtnislücken beginnt und im Verlust der eigenen Persönlichkeit und Hilflosigkeit endet. Der wichtigste Risikofaktor, an Alzheimer zu erkranken, ist das Altern. Denn die meisten Alzheimer-Fälle treten erst nach dem 65. Lebensjahr auf.
Gefährliche Proteine
Zwei Arten typischer Proteinablagerungen lassen sich in den betroffenen Hirngeweben der Patienten nachweisen. Zwischen Nervenzellen sind Amyloid-Plaques, Proteinverklumpungen, diffus in der Hirnrinde und anderen Gehirnregionen eingestreut. Im Inneren der Nervenzellen liegen zu Knäueln verklumpte Tau-Fibrillen. Diese tragen im Zusammenspiel mit genetischen Faktoren dazu bei, dass der Stoffwechsel der Nervenzellen aus dem Ruder läuft und die Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört ist. Die Nervenzellen verkümmern und sterben schließlich ab.
Doch ist das Tau-Protein für Nervenzellen keineswegs nur schädlich, sondern sogar lebenswichtig. In seiner normalen Form bindet Tau an Mikrotubuli-Proteine, lange röhrenförmige Bausteine des Zytoskeletts – das Grundgerüst biologischer Zellen. Bei Menschen, die an Alzheimer oder ähnlichen Demenzen erkranken, ist Tau in den Nervenzellen im Alter hingegen deutlich verändert. „Es hat in seiner abnormen Form weit mehr Phosphatreste angeheftet. Uns interessierte, wie manche Phosphatreste die Struktur des Proteins so verändern, dass es nicht mehr an Mikrotubuli binden kann“, erklärt Markus Zweckstetter vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie.
Exot unter den Eiweißen
Doch Tau ist ein regelrechter Exot unter den Proteinen und vielen Untersuchungsmethoden wie Röntgenkristallographie nicht zugänglich. Weder Hitze noch Säure können dem Protein etwas anhaben. Und während die meisten Proteine erst durch entsprechende Faltung „in Form“ kommen, verrichtet Tau seine Aufgaben nahezu ungefaltet. Äußerst flexibel ändert es schnell seine Form.
Mittels Kernspinresonanz-Spektroskopie ist es den Forschern des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen und der Max-Planck-Arbeitsgruppe für strukturelle Molekularbiologie (DESY, Hamburg) jetzt gelungen, neue Einblicke in die Tau-Struktur zu erhalten und seine schnellen Bewegungen zu verfolgen. Erstmals konnten so Strukturänderungen eines großen, nahezu ungefalteten Proteins im Detail untersucht werden.
„Wir sehen direkt, welche Module des Tau-Proteins an Mikrotubuli binden. Ist das Protein mit mehr Phosphatresten beladen als normal, so ist die Bindung dieser Module deutlich geschwächt. Tau- und Mikrotubuli-Proteine können nicht mehr miteinander in Wechselwirkung treten“, fasst Zweckstetter die Ergebnisse der Forscher zusammen. Als direkte Folge ist der Stofftransport innerhalb der Zelle entlang der Mikrotubuli-Schienen gestört, Nervenzell-Endigungen wachsen nicht mehr richtig. Aber möglicherweise kann Tau so auch mit anderen Partnern in der Zelle nicht mehr interagieren. „Wir haben das Protein jetzt in der Hand und können die Wechselwirkung mit anderen Bindungspartnern in der Zelle sehr genau untersuchen“, so Zweckstetter.
Angriffspunkt für Arzneimittel
Eckhard und Eva Mandelkow von der Max-Planck-Arbeitsgruppe für strukturelle Molekularbiologie in Hamburg sehen in Tau auch „einen guten Angriffspunkt für Arzneimittel“. An genetisch veränderten Mäusen hatten Eva Mandelkow und Mitarbeiter in früheren Arbeiten bereits zeigen können, dass die fatalen Folgen der Tau-Bündel reversibel sind. Im nächsten Schritt möchten die Max-Planck-Forscher nun untersuchen, ob mögliche Hemmstoffe mit dem Tau-Protein wechselwirken und ob sie die Anhäufung der Tau-Bündel verhindern können.
(MPG, 18.02.2009 – DLO)