Farbige Lichtblitze als Sehhilfe: Forscher haben erstmals Hinweise auf eine aktive Lichtortung bei einem tagaktiven Fisch entdeckt. Der im Mittelmeer und Atlantik heimische Spitzkopf-Schleimfisch erzeugt rote und blaue Lichtblitze mit seinen Augen, indem er Sonnenlicht gezielt umlenkt und reflektiert. Experimente belegen, dass er dabei die Farbe der Blitze seiner Umgebung anpasst. Wahrscheinlich helfen ihm die Blitze, seine Beute zu finden, möglicherweise dienen sie aber auch als Signale für Artgenossen, so die Forscher.
Bisher kannte man das Phänomen nur von Tiefseefischen: Anglerfische, Drachenfische und Co besitzen spezielle Organe, in denen sie durch biochemische Reaktionen Licht erzeugen. Dieses dient ihnen in den dunklen Tiefen des Meeres als Lockmittel für ihre Beute, aber auch als Sehhilfe. Meist unterstützt eine stark reflektierende Schicht im Augenhintergrund dabei ihre Sicht – ähnlich wie die Spiegelschicht in den Augen von Katzen und anderen Nachttieren.
Lichtblitze aus den „Augenfunken“
Seltsam jedoch: Auch viele tagaktive Fische besitzen reflektierende oder sogar fluoreszierende Augen. Bei einigen von ihnen sitzt in der Iris, direkt unterhalb der Pupille, ein besonders heller Fleck. Dieser sogenannte „Ocular Spark“ – Augenfunke – reflektiert Licht, das von der vorstehenden Augenlinse auf diese Stelle fokussiert wird. Bei bestimmten Augenbewegungen wird dieses gebündelte Licht wie ein kleiner Lichtblitz abgestrahlt.
Doch ist dies nur ein zufälliges Nebenprodukt der Evolution oder setzen diese Fische ihre „Augenfunken“ aktiv ein? Wäre letzteres der Fall, müssten die Fische diese Blitze aktiv kontrollieren und an die Bedingungen ihrer Umwelt anpassen können. Ob das der Fall ist, haben Nico Michiels von der Universität Tübingen und seine Kollegen am Gelben Spitzkopf-Schleimfisch (Tripterygion delaisi) untersucht.
Rote und blaue Blitze
Der etwa vier Zentimeter lange Schleimfisch kommt im Mittelmeer und Atlantik vor und lauert dort in rund zehn Metern Tiefe auf winzige, halbtransparente Krebschen. In diese Wassertiefen dringt noch ein Rest von Sonnenlicht, das von den Augenfunken des Fisches gebündelt und reflektiert werden kann. Der Schleimfisch hat dabei eine Besonderheit: Er kann verschiedenfarbige Lichtblitze erzeugen.
„Durch Kippen und Drehen des Auges kann der Fisch den Lichtstrahl lenken und aktiv entweder rote oder blaue Augenblitze abgeben“, erklärt Michiels. In ihrem Experiment wollten sie herausfinden, ob der Fisch die Farbe seiner Augenblitze an die Umgebung anpasst – das würde bestätigen, dass er diese Blitze aktiv kontrolliert und einsetzt. Dafür setzten sie die Fische mal mit und mal ohne Beute in rot oder blau ausgekleidete Becken.
Mehr Blitze bei Beutepräsenz
Und tatsächlich: „Wir haben festgestellt, dass die Fische die Farbe der Augenblitze an die Umgebung anpassen“, berichtet Michiels. „Bei rotem Hintergrund senden sie blaue Augenblitze aus – und umgekehrt.“ Messungen ergaben, dass diese Blitze bei den typischen Lichtverhältnissen im Lebensraum des Fisches ausreichen, um die ersten Zentimeter seiner direkten Umgebung auszuleuchten.
Der Schleimfisch passt seine Lichtortung dabei offenbar an auch an die Beutesituation an: Waren Kleinkrebse als Beute im Becken vorhanden, erhöhte der Fisch die Frequenz seiner Augenblitze. Fehlte die Beute, blitzte er seltener, wie die Forscher berichten. „Wir konnten jedoch nicht feststellen, dass hungrige Fische mehr Augenblitze erzeugen als satte“, so Michiels. Daher müsse nun in weiteren Experimenten geklärt werden, ob die Schleimfische ihre Fähigkeiten für die aktive Lichtortung zum Auffinden von Beute nutzen oder möglicherweise für andere Zwecke.
Auch bei anderen Fischen wahrscheinlich
„Wir stehen auf diesem Forschungsgebiet noch ganz am Anfang. Die Fähigkeit zur Lichtortung wurde bisher kaum beachtet“, erklärt Michiels. Er und seine Kollegen halten es für durchaus wahrscheinlich, dass auch andere tagaktive Fische die Fähigkeit zur aktiven Lichtortung besitzen. „Die anatomischen Voraussetzungen dafür finden sich bei vielen tagaktiven Fischen mit einer großen Iris“, so der Forscher. (Royal Society Open Science, 2018; doi: 10.1098/rsos.170838)
(Eberhard Karls Universität Tübingen, 22.02.2018 – NPO)