Medizin

Gentherapie stoppt Nervenkrankheit ALD

Erste erfolgreiche gentherapeutische Behandlung des Zentralnervensystems

Knapp zwei Jahre nach der Gentherapie bilden die Blutstammzellen der behandelten Kinder immer noch das ALD-Protein (pink) © Patrick Aubourg, Inserm Unité 745

Eine Gentherapie hat erstmals die tödlich verlaufende Nervenkrankheit ALD bei zwei Kindern aufgehalten. Ärzte reparierten den Gendefekt in den Blutstammzellen der Kinder und setzten dabei als Gentransporter inaktivierte Viren aus der HIV-Familie ein. Auch mehr als ein Jahr nach der Behandlung sind keine negativen Folgen aufgetreten. Wie die Forscher in „Science“ berichten, ist dies nicht nur die erste gentherapeutische Behandlung des Zentralnervensystems , sonder auch der erste Einsatz von HIV als Genfähre.

Die seltene, tödliche Nervenkrankheit ALD – Adrenoleukodystrophie – hat vor einigen Jahren durch den dramatischen Film „Lorenzos Öl“Bekanntheit erlangt. Bei der Erkrankung wird das Myelin, die fettartige „Isoliersubstanz“ im Gehirn, zerstört, was einen schnellen körperlichen und geistigen Verfall bewirkt und schließlich zum Tod führt. Als Ursache gilt die Veränderung im Gen eines Transportproteins in der Zellmembran. Die einzig bisher verfügbare Therapie ist eine Übertragung von Blutstammzellen gesunder Spender. Nicht immer jedoch werden Spender mit den passenden Gewebemerkmalen gefunden, außerdem kommt es oft zu Transplantatabstoßung und anderen Komplikationen.

Blutstammzellen per Gentherapie „repariert“

Nathalie Cartier und Patrick Aubourg vom Hôpital Saint Vincent de Paul in Paris erprobten nun erstmals eine Gentherapie gegen ALD. Die Ärzte entnahmen zwei siebenjährigen Jungen, die beide den für ALD verantwortlichen Gendefekt tragen, Stammzellen des blutbildenden Systems aus dem Knochenmark. Diese Blutstammzellen wurden in der Kulturschale mit dem intakten Gen ausgestattet und den beiden Kindern zurücktransplantiert. Da der Effekt dieser Gentherapie jahrelang anhalten soll, mussten als Gentransporter solche Viren verwendet werden, die ihr Erbgut fest in das Genom der Zelle einbauen. Dafür wurde erstmals eine inaktivierte Form des Aidsvirus HIV eingesetzt, das sehr gut Zellen infiziert, die sich nicht teilen.

Bisher kein Hinweis auf Aktivierung von Krebsgenen

Der Einbau des Viruserbguts in die DNA der Zelle ist ein kritischer Schritt, je nach Position können etwa Krebsgene dauerhaft aktiviert werden. Christof von Kalle und Manfred Schmidt aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg überwachten daher die Sicherheit der neuen Behandlungsform. Wissenschaftler zahlreicher weiterer Forschungseinrichtungen in Frankreich und den USA waren an dem Projekt beteiligt.

„Bei einer früheren Gentherapie zur Behandlung eines Immundefekts war genau das geschehen“, erklärt von Kalle. „Daher mussten wir bei den beiden ALD-Patienten mit Hilfe neuer technischer Verfahren in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob das Virus einen bleibenden Schaden in den Blutstammzellen angerichtet hat, der später zu Komplikationen führen kann.“

Den beiden behandelten Kindern geht es gut: Einige Monate nach der Zellübertragung stoppte der Myelin-Abbau im Zentralnervensystem, körperliche und geistige Beeinträchtigungen traten auch 14 und 16 Monate nach der Zellübertragung nicht auf, auch gab es kaum unerwünschte Nebenwirkungen.

„Das ist das erste Mal, dass eine Krankheit des Zentralnervensystems mit einer Gentherapie erfolgreich behandelt wurde. Außerdem wurden erstmalig Viren aus der HIV-Familie in einer klinischen Studie eingesetzt und haben sich vorerst bewährt, soweit wir es heute beurteilen können“, freut sich von Kalle über die Ergebnisse der Studie. „Wir hoffen, dass mit diesen neuartigen Gentransportern noch weitere erbliche Gendefekte behandelt werden können.“

(Deutsches Krebsforschungszentrum, 06.11.2009 – NPO)

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