Seltener Fund: In Kenia haben Forscher knapp 100 Fußabdrücke des Homo erectus entdeckt. Die 1,5 Millionen Jahre alten Spuren stammen von mindestens 20 verschiedenen Frühmenschen, die in kleinen Gruppen unterwegs waren. Ihre Abdrücke belegen, dass sich der Homo erectus in puncto Fußanatomie und Gang kaum von uns unterschied. Sie liefern aber auch den ersten Beleg für eine Kooperation unter Männern – etwas sonst im Tierreich sehr Seltenes.
Der aufrechte Gang machte uns zum Menschen: Erst das effiziente Laufen auf zwei Beinen gab unseren Vorfahren die Chance, ihre Hände kreativ zu nutzen und Werkzeuge zu halten. Das wiederum ermöglichte entscheidende Schritte unserer kulturellen Evolution. Aus vorgeschichtlichen Fußabdrücken und fossilen Fußknochen weiß man, dass bereits der vor rund drei Millionen Jahren lebende Australopithecus afarensis aufrecht gehen konnte.
Knapp 100 Frühmenschen-Spuren
Doch gerade solche Funde sind extrem rar. Umso spannender ist daher die jüngste Entdeckung einer ganzen Ansammlung von 1,5 Millionen Jahre alten Fußspuren nahe der Stadt Ileret in Kenia. Kevin Hatala vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und seine Kollegen haben dort in Ausgrabungen insgesamt 97 Fußabdrücke von mindestens 20 verschiedenen menschlichen Individuen freigelegt.
Dem Alter der Spuren nach stammen diese Fußabdrücke höchstwahrscheinlich vom Homo erectus – der Menschenart, die gängiger Theorie nach als erste Afrika verließ und begann, die Welt zu besiedeln. Wie dieser Frühmensch jedoch biomechanisch gesehen lief, darüber war bisher kaum etwas bekannt. Denn die einzigen von ihm erhaltenen Fußspuren sind elf isolierte Abdrücke in Georgien.
Moderner, effizienter Gang
Die Fußabdrücke in Kenia lieferten daher den Forschern erstmals die Gelegenheit, den Gang des Homo erectus genauer zu studieren. Ihr Ergebnis: Die Fußabdrücke des Frühmenschen sind hinsichtlich ihrer Form von denen moderner barfüßiger Menschen nicht zu unterscheiden. „Unsere Untersuchung der Fußabdrücke belegt erstmals die Vermutung, dass unsere fossilen Vorfahren bereits vor 1,5 Millionen Jahren so gegangen sind wie wir heutzutage“, sagt Hatala.
Den Analysen nach verfügte der Homo erectus bereits über eine moderne Fußanatomie und Fußmechanik. Er besaß beispielsweise schon ein Fußgewölbe, das in Längsrichtung gewölbt war und dadurch wie eine Feder einen Teil der Laufenergie speicherte und zurückgab. „Das erlaubte es ihm, beim Langstrecken-Wandern und Rennen Energie zu sparen“, erklären die Forscher.
Erster Beleg für Kooperation unter Männern
Aber die Fußspuren verraten noch mehr. Denn solche Abdrücke geben nicht nur Aufschluss über biomechanische Feinheiten des Ganges, sie zeigen auch, wer wann mit wem durch die Gegend lief – und das verrät einiges über die Sozialstruktur der Vor- und Frühmenschen. So stammen die Fußspuren in Kenia wahrscheinlich von fünf verschiedenen Gruppen von Menschen, die einst durch diese Landschaft zogen.
Anhand der Tiefe und Größe der Fußabdrücke konnten Hatala und seine Kollegen auf Gewicht und Geschlecht der urzeitlichen Wanderer schließen. Demnach bestanden mindestens zwei Gruppen vorwiegend aus Homo erectus-Männern. Ähnlich wie bei heutigen Jäger-und-Sammler-Völkern könnten sie auf einer gemeinsamen Jagdexkursion unterwegs gewesen sein, da nahebei gefundene Tierspuren die Präsenz großer Säugetiere in der Umgebung anzeigen.
Das Besondere daran: Während eine solche Kooperation von Männern bei der Jagd oder im Kampf bei uns Menschen und einigen Menschenaffen häufig vorkommt, ist dies ansonsten im Tierreich selten. „Die Fußabdrücke von Ileret sind der früheste Beleg für dieses Verhalten in der Menschheitsgeschichte“, berichten die Forscher. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep28766)
(Max-Planck-Gesellschaft, 13.07.2016 – NPO)