Behütete Geburt und hungriges Ende: Forscher haben erstmals die Wanderungen eines vor 17.000 Jahren gestorbenen Wollhaarmammuts rekonstruiert – und Erstaunliches herausgefunden. Das Mammut war so viel unterwegs, dass seine Lebensstrecke fast zwei Erdumrundungen entspricht. Die Isotopendaten aus seinem Stoßzahn enthüllen aber auch, dass das Tier mit erst 28 Jahren starb – es verhungerte am Ende eines Winters, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Mammuts waren einst die am weitesten verbreiteten Großsäuger auf unserem Planeten und perfekt an die harten Bedingungen der Eiszeit angepasst. Doch als diese sich ihrem Ende zuneigte, begann auch der Niedergang der massigen Dickhäuter. Vor knapp 6.000 Jahren starben die letzten, in einigen Inselrefugien überlebenden Mammuts aus. Warum diese ikonischen Eiszeittiere verschwanden, ist jedoch bis heute strittig. Einige Theorien sehen das Klima und die dadurch erzwungene Nahrungsumstellung als Ursache, aber auch Krankheiten oder die Jagd durch den Menschen werden als mögliche Ursachen diskutiert.
Ähnlich rätselhaft ist auch vieles an der Lebensweise der Mammuts: Wie wuchsen sie auf? Was fraßen sie und wie groß waren ihre Verbreitungsgebiete?
Stoßzahn-Schichten als „Tagebuch“
Jetzt gibt es erstmals Antworten auf einige dieser Fragen. Denn Matthew Wooller von der University of Alaska in Fairbanks und seine Kollegen haben erstmals den gesamten Lebensweg eines Wollhaarmammuts (Mammuthus primigenius) rekonstruiert – von seiner Geburt in der Herde bis zu seinem frühen Tod. Möglich wurde dies durch die im Permafrost konservierten Stoßzähne dieses vor rund 17.000 Jahren gestorbenen Mammuts.
„Vom Moment ihrer Geburt bis zum Tag ihres Todes tragen sie ein Tagebuch mit sich herum, eingeschrieben in ihren Stoßzähnen“, sagt Koautor Patrick Druckenmiller vom University of Alaska Museum of the North. Wie bei heutigen Elefanten wuchsen die Stoßzähne eines Mammuts langsam und lagerten dabei schichtweise neues Elfenbein an. Die Isotopenverhältnisse in diesen feinen Schichten spiegeln wider, wo sich das Mammut zu dieser Zeit aufgehalten hat und wie die Umweltbedingungen waren.
Für ihre Studie nutzte das Team hochauflösende Analysemethoden, um das Verhältnis der Strontium-Isotope 87Sr und 86Sr in den Wachstumsschichten des rund 2,40 Meter lange Mammut-Stoßzahns zu messen – insgesamt erhielten sie rund 340.000 einzelne Datenpunkte. Diese erlaubten es, die Aufenthaltsorte des Wollhaarmammuts fast bis auf die Woche genau nachzuvollziehen. Aus DNA-Analysen war bereits bekannt, dass es sich bei dem Tier um ein Männchen handelte.
Behütete Geburt und Jugend
Die Daten enthüllten: Das Mammut wurde im Zentrum Alaskas in der Senke des unteren Yukon-Flusses geboren. Mit seiner Herde wanderte das Jungtier dann in den folgenden Jahren in den Ebenen Zentralalaskas umher. Ähnlich wie bei heutigen Elefanten bestand die Herde des kleinen Mammutjungen wahrscheinlich aus mehreren erwachsenen Weibchen mit ihrem Nachwuchs, wie die Wissenschaftler erklären. Das Wanderungsgebiet der Mammutherde erstreckte sich dabei vom Polarkreis bis nach Süden an die Küste des Golfs von Alaska.
Doch im Alter von rund 16 Jahren änderte sich das Leben des jungen Wollhaarmammuts abrupt: Es verließ das angestammte Gebiet und führte nun deutlich weitere Wanderungen durch, wie ein plötzlicher Wechsel zu deutlich stärkeren Schwankungen im Isotopenmuster verrät. „Dies reflektiert wahrscheinlich den Übergang zum fortpflanzungsfähigen Alter“, schreiben Wooller und seine Kollegen.
Wanderungen durch ganz Alaska
Ähnlich bei Elefanten trennten sich junge Mammutbullen mit der Geschlechtsreife wahrscheinlich von ihrer Herde und zogen fortan allein oder in Junggesellengruppen umher. Das von dem nun erwachsenen Wollhaarmammut abgedeckte Gebiet reichte dabei von Zentralalaska bis zur Nordseite der Brooks Range – einem Gebirgszug, der sich entlang des 68. Breitengrads quer durch Alaska zieht, von der Beringsee im Westen bis zur Beaufortsee im Osten.
Insgesamt legte das Mammut auf seinen Wanderungen durch Alaska erstaunliche Entfernungen zurück: Die im Laufe seines Lebens zurückgelegten Strecken entsprechen fast einer doppelten Umrundung der Erde, wie das Team ermittelte. „Es noch nicht ganz klar ob diese Mammuts saisonale Wanderer waren, aber in jedem Falle kam es weit herum“, sagt Wooller.
Hungertod im hohen Norden
Doch mit etwa 26 Jahren veränderte das Wollhaarmammut sein Wanderungsverhalten noch einmal deutlich: Die letzten eineinhalb Jahre vor seinem Tod stoppten seine weiten Streifzüge und das Tier hielt sich nur noch in einem kleinen Gebiet nördlich der Brooks Range auf. Die in dieser Zeit stark ansteigenden Isotopenwerte für Stickstoff-15 deuten darauf hin, dass das Mammut unter Hunger und Mangelernährung litt, erklären Wooller und seine Kollegen.
Am Ende eines Winters starb das Mammut dann – ausgezehrt von der entbehrungsreichen kalten Jahreszeit. „Es starb höchstwahrscheinlich am Hungertod“, so das Forschungsteam. Sie vermuten, dass das wärmer werdende Klima am Ende der Eiszeit und die damit verbundene Veränderung der Vegetation das Nahrungsangebot für die Wollhaarmammuts immer weiter einschränkte. Wenn dann ein härterer Winter dazu kam, blieben ihnen kaum noch Ausweichmöglichkeiten. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abg1134)
Quelle: University of Alaska Fairbanks