Nicht lecker: Meeresfische sind offenbar immer häufiger mit parasitischen Würmern der Gattung Anisakis belastet. Wie eine Meta-Analyse nahelegt, ist das Vorkommen dieser Darmparasiten in den vergangenen 40 Jahren um das 283-Fache gestiegen. Für Sushi-Liebhaber bedeutet dies womöglich eine erhöhte Gefahr für Verdauungsbeschwerden. Vor allem aber könnten Meeressäuger unter dieser Entwicklung leiden.
Anisakis-Würmer können Sushi-Liebhabern schnell den Appetit verderben. Denn Darmparasiten dieser Gattung verstecken sich mitunter in Sashimi, Nigri und Co – und lösen unangenehme Beschwerden aus. Vor allem die als Heringswurm bekannte Art Anisakis simplex gehört zu den Erregern der sogenannten Heringswurmkrankheit oder Anisakiasis, die sich durch Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall äußert.
Nicht nur der Verzehr von Sushi birgt dabei das Risiko einer Infektion. Generell können viele Meeresfische, die nur ungenügend erhitzt, schwach mariniert oder geräuchert wurden, mit den krankmachenden Fadenwürmern belastet sein. Diagnostiziert werden diese als Übeltäter allerdings selten. Die von ihnen ausgelösten Symptome ähneln zu sehr einer „normalen“ Lebensmittelvergiftung, wie Evan Fiorenza von der University of Washington in Seattle und seine Kollegen erklären.
Fiesen Würmern auf der Spur
Umso spannender ist die Frage, wie groß die Belastung mit Anisakis-Würmern in marinen Fischen tatsächlich ist und wie häufig diese damit theoretisch den Weg auf unsere Teller finden könnten. Um dies herauszufinden, haben die Wissenschaftler nun 123 Studien zum globalen Auftreten von Meeresparasiten ausgewertet. Insgesamt deckten diese Untersuchungen den Zeitraum von 1967 bis 2017 ab und hatten 56.778 Fische unter die Lupe genommen.
Anhand dieser Daten schätzten die Forscher ab, wie sich die Häufigkeit der parasitischen Fadenwurmgattungen Anisakis und Pseudoterranova in Meeresfischen in den letzten 50 Jahren entwickelt hat. Beide Wurmgruppen werden typischerweise als Eier von kleinen Krebstieren aufgenommen. Wenn die Krebse von Kopffüßern, Fischen oder anderen Zwischenwirten gefressen werden, entwickeln sich die Eier zu Wurmlarven weiter. Aber erst in Meeressäugern können die Fadenwürmer heranreifen und sich vermehren.
Anstieg um das 283-Fache
Die Meta-Analyse enthüllte: In den vergangenen 40 Jahren scheinen Anisakis-Würmer immer häufiger geworden zu sein. So legten die Daten nahe, dass die Zahl dieser Parasiten zwischen 1978 und 2015 weltweit um das 283-Fache angestiegen ist. Für die Pseudoterranova-Nematoden stellten die Forscher dagegen keine signifikanten Veränderungen fest.
Was könnten die Gründe für diese dramatische Entwicklung bei den Anisakis-Würmern sein? Fiorenza und seine Kollegen vermuten, dass unter anderem der Klimawandel und der vermehrte Eintrag von Nährstoffen ins Meer – zum Beispiel durch Düngemittel – eine Rolle spielen. Frühere Studien, darunter ein Experiment mit Stichlingen, haben bereits gezeigt, dass die Erwärmung des Meerwassers das Wachstum von parasitischen Fischwürmern fördert und ihre Reifezeit verkürzt. Ähnliches könnte auch bei Anisakis zum Tragen kommen.
Zusammenhang mit Meeressäugerpopulationen?
Gleichzeitig sei auch ein Zusammenhang mit der Populationsentwicklung von Meeressäugern denkbar – den Endwirten der Parasiten, so die Forscher. Die Würmer wandern über die marine Nahrungskette in die Därme von Delfinen, Robben und Co – und anders als im menschlichen Körper vermehren sie sich dort. „Es ist möglich, dass die Erholung einiger Meeressäugerpopulationen den Anisakis-Würmern zugutegekommen ist“, sagt Fiorenzas Kollegin Chelsea Wood.
Plausibel scheint dies auch deshalb, weil die Zunahme der Parasiten zeitlich mit dem Inkrafttreten von Gesetzen zum Schutz von Meeressäugern wie dem Marine Mammal Protection Act der USA zusammenfällt.
Potenzielle Gefahr für Delfine und Co
Unabhängig von den Ursachen scheint jedoch klar: Die „Sushi-Parasiten“ werden immer mehr. Obwohl die Anisakiasis eine der wenigen Zoonosen ist, die von Meerestieren auf den Menschen übergehen können, müssen Verbraucher sich angesichts dieser Entwicklung trotzdem keine großen Sorgen machen. Wie die Wissenschaftler betonen, werden Sushi und andere Lebensmittel regelmäßig auf die Parasiten kontrolliert – und wer genau hinschaut, kann übersehene Exemplare beim Essen auch selbst entdecken.
Problematischer könnten die Würmer dagegen für Delfine und Co sein. „Wenn eine Meeressäugerpopulation wächst und dadurch auch ihre Anisakis-Parasiten profitieren, könnten andere, anfälligere Populationen darunter leiden“, erklärt Wood. Ob und wie die Würmer bestimmten Meeressäugern schaden, ist zwar noch nicht bekannt. Klar ist aber, die Parasiten können jahrelang in deren Körpern überleben – und damit zumindest theoretisch Schaden anrichten.
Ähnlicher Trend bei anderen Parasiten?
„Es wird nicht oft in Betracht gezogen, dass Parasiten hinter der schlechten Entwicklung mancher Meeressäugerpopulationen stecken könnten. Ich hoffe, dass unsere Studie dazu animiert, Darmparasiten als potenziellen Hemmschuh für das Populationswachstum bedrohter Meeressäuger genauer in den Blick zu nehmen“, konstatiert Wood.
In Zukunft wollen sich die Forscher zudem weiteren Meeresparasiten und den von ihnen ausgelösten Erkrankungen widmen. „Unsere Analyse erzählt die Geschichte von nur zwei Parasiten von Millionen“, betonen sie. Erst weitere Untersuchungen könnten daher enthüllen, ob es in den Ozeanen einen grundsätzlichen Trend zur Häufung von Parasiten gibt. (Global Change Biology, 2020; doi: 10.1111/gcb.15048)
Quelle: University of Washington