Biologie

Menschenaffen erkennen eigenes Unwissen

Schimpansen und Orang-Utans suchen nach Informationen, um Wissenslücken zu schließen

Können Schimpansen ihre eigenen geistigen Zustände erkennen und überwachen? © Photomaru/ iStock.com

Sie wissen, wenn sie etwas nicht wissen: Schimpansen und Orang-Utans scheinen ihr eigenes Wissen hinterfragen und beurteilen zu können. Ein Experiment zeigt: Die Menschenaffen erkennen, wenn ihnen wichtige Informationen zum Lösen einer Aufgabe fehlen – und versuchen diese Wissenslücke dann gezielt zu schließen. Für die Forscher ist das ein mögliches Zeichen dafür, dass die Tiere, ähnlich wie wir Menschen, die Fähigkeit zur Metakognition besitzen.

Menschenaffen sind unsere nächsten Verwandten – und verblüffen uns immer wieder aufs Neue mit ihren kognitiven Fähigkeiten. Schimpansen, Orang-Utans und Co nutzen nicht nur Werkzeuge und haben ein uns sehr ähnliches Sozialverhalten. Sie verstehen sogar einfache Filmhandlungen, erkennen sich selbst im Video und sind dazu in der Lage, neue Laute zu lernen.

Manuel Bohn vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und seine Kollegen haben nun untersucht, ob die Primaten womöglich auch eine weitere kognitive Fähigkeit mit uns Menschen gemein haben: die der Metakognition. Sie wollten wissen: Können Menschenaffen ihre eigenen geistigen Zustände erkennen und überwachen?

Fehlende Informationen

Diese wichtige Art des Denkens kommt bei Menschen zum Beispiel zum Tragen, wenn sie sich nach dem Verlassen des Hauses fragen, ob sie auch wirklich den Herd ausgeschaltet haben. Bevor sie umkehren, beurteilen sie zunächst, ob sie sich an das Ausschalten des Geräts erinnern – ist das nicht der Fall, suchen sie weitere Informationen, indem sie noch einmal nachschauen. Würden sich Schimpansen und Orang-Utans in einer solchen Situation ähnlich verhalten?

Im Experiment sollten die Primaten die genaue Lage eines Stück Futters bestimmen, das hinter einer kleinen Barriere auf einem Tisch verborgen war. In einigen Fällen zeigten die Forscher den Menschenaffen vorab kurz, wo sich die Leckerei befand, in anderen Fällen nicht. Im Moment der Entscheidung war das Futter jedoch immer versteckt. Die entscheidende Frage war nun, ob die Tiere erst einmal einschätzen würden, was sie über den Aufenthaltsort des gesuchten Objekts wissen, bevor sie eine Wahl treffen.

Werkzeug statt Futter

Genau das war der Fall: Hatten die Affen zuvor keine Informationen über die Lage des Futters erhalten, versuchten sie zunächst, diese Wissenslücke zu schließen. Sie kletterten oder reckten sich und spähten über die Barriere, bevor sie ihre Wahl trafen. Mit Vorwissen suchten die Primaten dagegen nicht oder deutlich weniger intensiv nach weiteren Informationen, bevor sie sich entschieden.

Das könnte darauf hindeuten, dass Menschenaffen – ähnlich wie Menschen – ihr bereits vorhandenes Wissen einer metakognitiven Prüfung unterziehen. Doch stimmt das wirklich? „Frühere Studien zeigen, dass Menschenaffen nach Informationen suchen, wenn Futter im Spiel ist. Ein Verhalten, das der Nahrungssuche dienen könnte und nicht zwingend Teil eines metakognitiven Prozesses wäre“, sagt Bohn.

Um sicherzugehen, variierten die Forscher daher, ob das Objekt auf dem Tisch ein Stück Futter oder ein Werkzeug war. Damit untersuchten sie, ob die Suche nach Informationen auf bestimmte Objekte wie Futter beschränkt ist.

Denken auf verschiedenen Ebenen

Das Ergebnis: Sowohl Schimpansen als auch Orang-Utans suchten in beiden Fällen nach zusätzlichen Hinweisen. „Unsere Studie offenbart, dass Menschenaffen nicht einfach ziellos nach Informationen suchen, in der Hoffnung, auf Futter zu stoßen“, sagt Bohns Kollege Matthias Allritz. Stattdessen wollten die Primaten immer dann mehr wissen, wenn ihnen eine wichtige Information fehlte.

Nach Meinung der Forscher legen diese Ergebnisse nahe, dass die engsten lebenden Verwandten des Menschen kognitive Fähigkeiten besitzen, die es ihnen ermöglichen, verfügbare Informationen auf verschiedenen Ebenen zu bewerten und auf diese Weise ihre Entscheidungsfindung zu optimieren. Ihre metakognitiven Fähigkeiten scheinen denen des Menschen damit ähnlicher zu sein als bisher angenommen.

„Unsere Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Komplexität und Flexibilität von Gedächtnisprozessen und der Überwachung eigener geistiger Zustände bei Menschenaffen“, schließt Mitautor Josep Call. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-11400-z)

(Max-Planck-Gesellschaft, 11.09.2017 – DAL)

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