Mathematik

Morbus Crohn: Enzymmangel treibt Darmzellen in den Tod

Programmierter Zelltod macht Darmwand löchrig

Panethzellen aus dem Dünndarm. Die Zellen haben eine wichtige Funktion für die Abwehr von Bakterien im Darm. In sog. Vesikeln (schwarze kreisförmige Strukturen) speichern sie antimikrobielle Substanzen, die sie bei Bedarf freisetzen können. © K. Amann / C. Günther

Wissenschaftler haben entdeckt, dass das Fehlen eines bestimmten Enzyms eine entscheidende Rolle für die chronische Darmkrankheit Morbus Crohn spielt. Der Enzymmangel lässt Zellen der Darmwand vermehrt absterben und macht diese so durchlässig für Bakterien. Eine chronische Entzündung ist die Folge.

Mehr als 300.000 Menschen in Deutschland leiden an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Die Betroffenen leiden zum Teil ihr Leben lang unter immer wiederkehrenden heftigen Bauchschmerzen, Durchfällen und Krämpfen – in Folge der Krankheit besteht zudem ein erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Weil die Krankheitsursache trotz weltweiter Forschungsanstrengungen weitgehend unklar ist, haben Wissenschaftler der Medizinischen Universitätsklinik Erlangen sowie deren Kooperationspartner die molekularen Mechanismen erforscht, die zu solchen Darmerkrankungen führen.

Enzymmangel macht Darmwand löchrig

Bei ihren Untersuchungen stellten die Forscher fest, dass das Fehlen eines bestimmten Enzyms verstärkt zu einem Absterben von Zellen im Darm führt. Durch diesen übermäßigen Zelltod entstehen Lücken in der Epithelschicht – einer Zellschicht, die die Darmwand eigentlich vor dem Eindringen von

schädlichen Bakterien schützen soll. Eine Entzündung der Darmschleimhaut ist die Folge. Die Ergebnisse veröffentlichte das Forschungsteam um die Erlanger Wissenschaftler Claudia Günther und Prof. Dr. Christoph Becker am 15. September 2011 in der renommierten Fachzeitschrift Nature.

„Im Mittelpunkt unserer Arbeiten stand das Enzym Caspase-8“, erläutert Christoph Becker, Leiter des Forschungsprojekts. „Am experimentellen Modell und an betroffenen Patienten haben wir die Rolle untersucht, die dieses Enzym bei der Entstehung entzündlicher Darmerkrankungen spielt. Caspase-8 ist ein für unseren Körper äußerst wichtiges Enzym. Es steuert die Apoptose, eine Art „Selbstmordprogramm“, das die Zellzahl im Darm regelt und gleichzeitig gewährleistet, dass alternde Zellen ohne Schädigung des umliegenden Gewebes zugrunde gehen“, so Becker weiter.

Programmierter Zelltod bei Epithelzellen

„Ist in den Epithelzellen Caspase-8 nicht ausreichend vorhanden oder die Funktion des Proteins gestört, müsste das dazu führen, dass die Zellen im Darm länger leben – so unsere Ausgangsüberlegung“, sagt Claudia Günther von der Universitätklinik Erlangen. Doch zur großen Überraschung der Forscher erwies sich diese Überlegung als unzutreffend. Im Gegenteil: Epithelzellen, denen Caspase-8 fehlte, waren besonders anfällig für Zelltod. Besonders betroffen waren die sogenannten Panethzellen, spezialisierte Epithelzellen, die Stoffe produzieren, mit denen sie Bakterien auf Distanz halten oder sogar abtöten können. „Fehlen diese Zellen, so können Bakterien in die Darmwand eindringen und Entzündungsreaktionen wie bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auslösen“, erläutert Günther.

Die absterbenden Darmzellen zeigten dabei völlig andere Eigenschaften als Zellen, die aufgrund von

Apoptose sterben. „Die in unseren Experimenten beobachteten Zellen starben an Nekroptose, einer erst kürzlich entdeckten Form von Zelltod, den wir nun erstmals im Darm von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nachweisen konnten“, sagt Becker.„Die Entdeckung, dass Panethzellen im Darm aufgrund von Nekropose absterben, ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen.“

Jetzt hoffen Becker und sein Team, auf der Basis ihre Forschungsergebnisse neue Therapiemethoden zur gezielten Veränderung dieser Zellprozesse zu entwickeln, um Patienten mit chronischen Darmerkrankungen besser behandeln zu können. (Nature, 2011; DOI:10.1038/nature10400)

(Universität Erlangen-Nürnberg, 16.09.2011 – NPO)

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