Biologie

Singvögel: Mehr Seitensprünge bei Kunstlicht

Nächtliche Lichtverschmutzung verändert das Fortpflanzungsverhalten von Vögeln

Zu viel Licht: Künstliche Beleuchtung in der Nacht führt dazu, dass Männchen einiger Singvogelarten früher anfangen zu singen, weibliche Blaumeisen beginnen eher mit dem Brutgeschäft und ihre männlichen Artgenossen erlauben sich mehr Seitensprünge. © Jan Kempenaers

Die nächtliche Lichtverschmutzung in den Städten wirkt sich auf das Fortpflanzungsverhalten von Vögeln aus: Vogelmännchen beginnnen morgens unter Kunstlicht früher an zu singen, weibliche Blaumeisen legen früher und mehr Eier. Und entgegen dem Sprichwort „im Dunkeln ist gut munkeln“ steigt auch die Rate der Seitensprünge und „außerehelichen“ Jungen bei künstlicher Beleuchtung rapide an.

Licht in der Nacht hat für zahlreiche Tiere tödliche Folgen. So sterben zum Beispiel jedes Jahr Milliarden von Insekten an Straßenlaternen. Zugvögel fliegen erschöpfende Umwege, da sie von künstlichem Licht verwirrt und von ihren Routen abgelenkt werden, oder sie kollidieren mit nächtlich beleuchteten Hochhäusern. Doch auch wenn das menschengemachte Licht im Dunkeln nicht immer unmittelbar zum Tode führt, kann es für Tiere erhebliche ökologische Konsequenzen haben. Dies haben Wissenschaftler um Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen nun für Singvögel nachgewiesen.

Vogel-Männchen singen früher

Die Forscher untersuchten, welchen Einfluss die Straßenbeleuchtung entlang eines Waldrandes auf das

Singverhalten der Männchen von fünf waldbrütenden Singvogelarten hat. Wie sie herausfanden, begannen bei vier der fünf Arten alle Männchen, die dem Kunstlicht ausgesetzt waren, früher zu singen

als diejenigen, die im Wald oder an einem unbeleuchteten Waldrand lebten. Der Effekt war besonders stark ausgeprägt bei denjenigen Arten, die von Natur aus schon früh am Morgen singen. So legte zum Beispiel das im Rampenlicht lebende Rotkehlchen im Schnitt 80 Minuten vor den im Dunkeln schlafenden Artgenossen mit seinem Gesang los.

Weibchen legen früher und mehr Eier

Die Wissenschaftler interessierte aber nicht nur der Zusammenhang zwischen Dunkelheit und Gesang, sondern auch, ob das künstliche Nachtlicht messbare Auswirkungen auf das Fortpflanzungsverhalten bei Singvögeln hat. Über sieben Brutsaisonen nahmen sie in einer Blaumeisenkolonie auf, zu welchem Zeitpunkt die Weibchen mit der Eiablage begannen. Unter Lichteinfluss fand sich das erste Ei im Durchschnitt eineinhalb Tage früher im Nest als bei wald- und waldrandlebenden Weibchen ohne Beleuchtung.

„Normalerweise legen Weibchen, die früh mit der Eiablage beginnen, insgesamt mehr Eier. Sie sind oft in körperlich besserem Zustand als diejenigen, die später legen“, erklärt Bart Kempenaers, Direktor in Seewiesen. „Weibchen, die unter Lichteinfluss früher legen, haben aber im Schnitt nicht mehr Eier“. Die frühere Eiablage könnte für den Nachwuchs kritisch werden, wenn die Phase des höchsten Futterbedarfs nicht mehr mit dem Zeitpunkt der maximalen Futterverfügbarkeit zusammenfällt.

Licht fördert Seitensprung

Bei Blaumeisenmännchen wirkte sich nächtliches Kunstlicht unmittelbar auf den Fortpflanzungserfolg aus: So hatten männliche Vögel, die an einem beleuchteten Waldrand lebten, doppelt so viele außerpaarliche Jungen im Vergleich zu Männchen, deren Reviere nachts im Dunkeln lagen. Dieser Effekt war besonders stark ausgeprägt bei jungen Blaumeisenmännchen, die in der ersten Brutsaison normalerweise eher wenig Erfolg beim Fremdgehen haben. Sie hatten unter dem Einfluss von Licht fast ebenso viel Nachwuchs mit fremden Weibchen wie ältere Männchen aus dunklen Lebensräumen.

„Es ist wahrscheinlich, dass für die Weibchen der frühe Gesang ein Signal für die Qualität eines Männchen bedeutet“, sagt Bart Kempenaers. Die Lichtverschmutzung führt also bei den Weibchen zu Fehlentscheidungen in der Partnerwahl. Ob früherer Gesang, vorgezogene Eiablage und veränderte außerpaarliche Kopulationen tatsächlich Folgen für die Überlebenswahrscheinlichkeit und die genetische Qualität der Nachkommenschaft haben, wollen die Forscher in Zukunft herausfinden.

(Max-Planck-Institut für Ornithologie, 21.09.2010 – NPO)

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