Winzige Lebewesen im Plankton können aus dem Wasser springen, wenn sie vor Fressfeinden fliehen. Das haben US-amerikanische Forscher an zwei nur millimetergroßen Arten von Ruderfußkrebsen beobachtet. Wenn sich planktonfressende Fische nähern, machen diese kleinen Krebse einen großen Satz, verlassen wie fliegende Fischer das Wasser und tauchen erst mehrere Zentimeter entfernt wieder ein. „Mit einem einzigen Sprung kann sich ein Ruderfußkrebs weiter vom Fressfeind wegbewegen als mit mehreren Sprüngen innerhalb des Wassers“, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences“. So entgehe der kleine Meeresbewohner fast immer dem Verspeistwerden.
Viele Fische fressen Plankton, das nahe an der Wasseroberfläche lebt. Aber, wie die Forscher um Brad Gemmell von der University of Texas in Austin herausfanden, einige Planktonarten haben sich eine Taktik angeeignet, um dem zu entgehen: Sie nehmen bei ihrer Flucht eine Abkürzung durch die Luft. Dabei legen sie ihre Fühler eng an ihren Körper an und durchstoßen die Wasseroberfläche.
Zusätzlicher Energieverbrauch lohnt sich
Das Durchstoßen der Wasseroberfläche verbrauche sehr viel Energie, schreiben die Forscher. Da Luft weniger dicht ist als Wasser, könne der Ruderfußkrebs dafür aber oberhalb der Wasseroberfläche größere Strecken zurücklegen als unterhalb. „Um eine ähnliche Fluchtstrecke unter Wasser zurückzulegen, müsste der Ruderfußkrebs etwa 20 Mal so viel Energie aufwenden“, heißt es in der Studie. Da die Tiere meist weiter sprängen, als ihre Angreifer sehen könnten, rette ihnen der Sprung ins Ungewisse das Leben.
Bis zu 17 Zentimeter weit springe der etwa zwei bis drei Millimeter große Ruderfußkrebs der Art Anomalocera ornata, schreiben die Forscher. „Im Durchschnitt legte das Tier eine Strecke von acht Zentimetern zurück, also etwa 40 mal so viel wie seine eigene Körperlänge.“ Über Wasser erreiche Anomalocera Geschwindigkeiten bis zu 890 Millimeter pro Sekunde, das sind 3,2 Kilometer pro Stunde. Die kleinere Ruderfußkrebsart Labidocera aestiva sprang entsprechend seiner etwas geringeren Körpergröße nach Angaben der Forscher etwas langsamer und weniger weit.
Fliegende Fische haben’s leichter
„Alle anderen Tiere, die ähnliches Verhalten zeigen, sind erheblich größer“, schreiben die Forscher. Auch fliegende Fische springen, wenn ihnen ein Angreifer auf den Fersen ist. Da sie größer und schneller sind, brauchen sie einen sehr viel geringeren Anteil ihrer Energie, um das Wasser zu verlassen. Aber: „Sobald die Wasseroberfläche einmal durchbrochen ist, sind die Ruderfußkrebse sehr viel schneller unterwegs als größere Tiere.“ Im Verhältnis zu ihrer Körpergröße legen die Winzlinge sehr viel größere Strecken beim Sprung zurück als fliegenden Fische.
Die Wissenschaftler filmten die beiden Ruderfußkrebsarten Anomalocera ornata und Labidocera aestiva mit einer Videokamera und werteten die Charakteristika des Sprungs aus. Anomalocera ornata befand sich dabei im Golf von Mexiko auf der Flucht vor Fischen, die andere Art hatten die Forscher mit einem Netz eingefangen. Im Aquarium reichte ein Lichtimpuls aus, um diese Ruderfußkrebse zum Springen zu bringen. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences , 2012; doi: 10.1098/rspb.2012.0163)
(Royal Society, 21.03.2012 – BO)