Biologie

Verblüffender Kindertausch bei Buntbarschen

Adoption fremder Jungtiere ist für diese Fische normal - widerspricht aber Darwinschen Regeln

Eine Kolonie Buntbarsche (Neolamprologus caudopunctatus) im Tanganyikasee © Stefanie Schwamberger

Das ist schon reichlich seltsam: Afrikanische Buntbarsche geben ihre Jungen freiwillig zur Adoption frei. Sie transportieren sie im Maul gezielt zu Nestern anderer Eltern. Diese wiederum nehmen die Fremdlinge bereitwillig auf – obwohl dies nach herkömmlicher Theorie ihnen und ihren Genen nichts bringt. Was wirklich hinter diesem ungewöhnlichen Kinderhandel steckt, berichten Wiener Forscher jetzt im Fachmagazin „Behavioural Ecology“.

Das Phänomen der Adoption beschäftigt Evolutionsforscher, seit Charles Darwin mit seiner Idee der natürlichen Zuchtwahl an die Öffentlichkeit trat. Nicht nur hält adoptierter Nachwuchs Eltern davon ab, sich mehr um die eigenen Jungen zu kümmern, Adoptiveltern fördern auch den Nachwuchs fremder Eltern. Ihre eigenen Gene werden dadurch nicht mehr oder besser weitergegen – und das gilt eigentlich als treibende Kraft der Evolution. Warum also sind viele Tierarten dennoch bereit, sich um fremden Nachwuchs zu kümmern?

Dieser Frage nahmen sich Franziska Schädelin und ihre Kollegen vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien in ihrer Studie an. Sie untersuchten dafür eine kleine Art von Buntbarschen, sogenannte Cichliden, die im afrikanischen Tanganyikasee leben. Diese Art bleibt für längere Zeit mit demselben Partner zusammen, lebt also monogam, und betreibt Brutpflege. Die Elternpaare bauen kleine Nesthöhlen, um ihre Laichgelege und später auch die geschlüpften Jungtiere vor Raubtieren zu schützen. Bei Tauchgängen zum Seegrund in zwölf Meter Tiefe sammelten die Wissenschaftler aus über 30 Nestern mehr als 350 DNA-Proben von Elterntieren und ihrem Nachwuchs. Diese Proben wurden mit aufwendigen Genanalysetechniken auf Verwandtschaftsbeziehungen untersucht.

Eltern verschleppen Fischbrut im Maul

Das überraschende Ergebnis der DNA-Tests: Die meisten Nester enthielten tatsächlich Jungtiere, die mit keinem der beiden dort ansässigen Elterntiere verwandt war. Einige Nester enthielten sogar Nachwuchs von drei oder mehr Elternpaaren. In manchen Bruthöhlen fanden die Forschenden Jungtiere, die ursprünglich in Nestern geschlüpft sein mussten, die bis zu 40 Metern entfernt lagen. Sehr kleine Jungfische könnten zwar wenige Meter weit zu einer Nachbarhöhle schwimmen, ohne gefressen zu werden. Dass sie aber größere Distanzen überwinden, halten die Forschenden für unwahrscheinlich.

Viel wahrscheinlicher sei, dass die Elterntiere ihren Nachwuchs im Maul über diese Distanzen zu anderen Brutnestern transportieren, wie es auch schon im Aquarium beobachtet wurde. Elterntiere, die ihre eigenen Jungen über große Distanzen zu anderen Nestern bringen, könnten so sicherstellen, dass zumindest einige ihrer Nachkommen in Sicherheit aufwachsen, wenn das ursprüngliche Nest, und möglicherweise auch Nester in der nahen Umgebung von Fressfeinden geplündert werden. Aus Sicht der Eltern macht dieses Auslagern ihrer Jungen daher durchaus Sinn.

Kleinere Adoptivkinder erhöhen Chancen für den eigenen Nachwuchs

Doch warum sollten die Stiefeltern die fremden Jungtiere bereitwillig wie ihre eigenen aufnehmen? „Zieheltern die fremden Jungen akzeptieren, verringern mit einer Art Verdünnungseffekt das Risiko, dass der eigene Nachwuchs gefressen wird“, argumentiert Schädelin. Wenn das stimmt, dann sollten die Adoptiveltern bevorzugt fremde Jungtiere adoptieren, die kleiner sind als der eigene Nachwuchs. Denn je kleiner die Jungen sind, desto eher werden sie auch gefressen, das ist bereits bekannt.

Schädelin und ihre Kollegen fanden heraus, dass die Jungtiere, die von den leiblichen Eltern zur Adoption freigegeben wurden, tatsächlich größer sind als solche, die sie bei sich behielten. Andererseits waren die eigenen Jungtiere im Allgemeinen etwa gleich groß wie adoptierte. Es scheint also, als würden Elterntiere genau auswählen, welche fremden Jungen sie adoptieren. Gleichzeitig scheinen sie auch ihren eigenen Nachwuchs gezielt nach Größe auf andere Brutpaare zu verteilen.

Sich die Arbeit bei der Aufzucht der Jungen unter mehreren Familien aufzuteilen, könnte bei der untersuchten afrikanischen Buntbarschart also eine Art Versicherung gegen Überfälle von Fressfeinden zu sein. Schädelin fasst ihre Ergebnisse so zusammen: „Für eine Fischart, die so stark Fressfeinden ausgesetzt ist, muss es von großer Bedeutung sein, eine Strategie zu haben, die wenigstens einigen der Jungen einer Brut das Überleben sichert. Es sieht so aus, als würden diese Buntbarsche es vermeiden, alles auf eine Karte zu setzen.“ (Behavioral Ecology, 2013; doi: 10.1093/beheco/ars195)

(Veterinärmedizinische Universität Wien, 20.03.2013 – NPO)

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