Zucken als Strategie: Spermien schwimmen auf ihrem Weg zur Eizelle nicht einfach vorwärts, sondern scheinen willkürlich umherzucken – mal vor, dann wieder zurück oder seitlich. Den Vorteil dieser bizarren Schwimmtechnik haben nun Forscher aufgedeckt. Demnach erzeugt das Zucken im zähen Schleim des weiblichen Genitaltrakts Strömungen, durch die zumindest einige Spermien besser vorankommen.
Spermien haben es nicht leicht: Auf ihrem Weg zur Eizelle müssen sie durch zähen Schleim schwimmen, widrige chemische Umgebungen passieren und sich auch noch gegen Millionen Konkurrenten durchsetzen. Wie sie dies schaffen, ist noch immer nicht ganz aufgeklärt. Man weiß aber, dass Spermien dafür vorübergehende „Koalitionen“ bilden und verschiedene Schwimmtechniken nutzen. Außerdem hat der erste Schwung offenbar die besseren Chancen.
Durch den zähen Schleim
Neues über die Schwimmtechnik der Spermien haben nun Hermes Gadelha von der University of York und seine Kollegen aufgedeckt. Sie filmten dafür Spermien unter dem Mikroskop und werteten ihre Bewegungen mit Hilfe eines mathematischen Modells aus. Im Fokus stand dabei die Frage, wie es die Spermienzellen schaffen, trotz des hohen Widerstands des Schleims im weiblichen Genitaltrakt vorwärtszukommen.
„Rund 55 Millionen Spermien sind in einem Ejakulat, es ist daher sehr schwierig zu erfassen, wie sie sich gemeinsam bewegen“, erklärt Gadelha. „Wir wollten daher eine mathematische Formel entwickeln, die die Bewegungen der Spermien vereinfacht und uns hilft zu verstehen, warum einige erfolgreich sind und andere versagen.“ Gleichzeitig ging es darum, die Dynamik des Schleims um die Spermien herum abzubilden.
Zuckender Tanz
Es zeigte sich: Spermien bewegen auf den ersten Blick weder gerichtet noch gleichmäßig. Stattdessen ähnelt ihr Schwimmen eher einem willkürlich zuckenden Tanz: Der Schwanz der Samenzelle schlägt zwar in einem definierten Rhythmus. Doch seine Bewegung katapultiert den Spermienkopf mal vorwärts, dann wieder ruckartig nach hinten oder zur Seite, wie die Forscher beobachteten.
„Man würde annehmen, dass diese zuckenden Bewegungen es den Spermien sogar noch erschweren, sich durch die Flüssigkeit zu bewegen“, sagt Gadelha. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die zufällig wirkenden Zuckungen lösen im zähen Schleim Strömungsmuster aus, die es zumindest einigen Spermien leichter machen, vorwärtszukommen. Dabei zieht und schiebt das Spermium die umgebende Flüssigkeit abwechselnd und löst so die Bewegung aus.
„Das Spermium bewegt die Flüssigkeit in einer sehr koordinierten Weise“, berichtet Gadelha. „Obwohl der Widerstand des Schleims ihm das Vorankommen erschwert, sorgt es mit seinen rhythmischen Bewegungen dafür, dass die Bedingungen für einige Samenzellen günstiger werden.“
Einfache mathematische Formel
Und noch etwas entdeckten die Forscher: Die Bewegungen der Spermien und ihre Wirkung auf den Schleim lassen sich mit einer relativ einfachen mathematischen Formel beschreiben. Das erleichtert es nun, das „Wettrennen“ der Spermien noch näher zu untersuchen. So wollen die Wissenschaftler nun als nächstes herausfinden, welche Rolle die vorübergehende Gruppenbildung der Spermien für die Strömungsverhältnisse im Schleim spielen. (Physical Review Letters, in press)
(University of York, 22.03.2017 – NPO)