Erfolgreiche Invasoren: Ein einzelner englischer Siedler war offenbar verantwortlich für die bis heute anhaltende Kaninchenplage in Australien. Genetische Analysen zeigen, dass alle heutigen australischen Kaninchen auf die 24 Exemplare zurückgehen, die sich der Engländer Thomas Austin im Jahr 1859 auf den neuen Kontinent liefern ließ. Zuvor eingeführte Kaninchen waren dagegen offenbar nicht in der Lage, sich zu einer invasiven Art zu entwickeln.
Kaninchen in Australien gelten als das Paradebeispiel einer invasiven Art. Eingeführt durch englische Siedler verbreiteten sich diese nicht in Australien heimischen Pflanzenfresser rasant über den gesamten Kontinent. Bis heute bedrohen sie die heimische Flora und Fauna und verursachen jährlich Ernteschäden in Höhe von rund 200 Millionen Dollar. Bekämpfungsmaßnahmen wie die Einführung des Myxomatose-Virus, der die Kaninchen töten sollte, brachten nicht den gewünschten Erfolg.
Ausbreitung über den Kontinent
Doch wie begann die Plage? Diese Frage hat nun ein Team um Joel Alves von der University of Oxford anhand von genetischen Analysen beantwortet. Alves und seine Kollegen analysierten dafür genomische Daten von 187 Kaninchen, die zwischen 1865 und 2018 in Australien, Tasmanien, Neuseeland, Großbritannien und Frankreich gefangen wurden, und kombinierten die daraus gewonnenen Erkenntnisse mit historischen Aufzeichnungen über Einschleppungsereignisse.
Den historischen Daten nach erreichten die ersten fünf Hauskaninchen das australische Festland bereits 1788 auf Schiffen der englischen Flotte. In den folgenden 70 Jahren wurden noch mindestens 90 weitere Tiere eingeführt, aber keine dieser Populationen wurde invasiv. Doch dann ließ sich der englische Siedler Thomas Austin im Jahr 1859 eine Gruppe von 24 Kaninchen für sein Anwesen in der Nähe von Geelong in Victoria schicken. Bisher war strittig, ob die heutige Kaninchenplage auf nur einen dieser Importe oder aber mehrere zurückgeht.
Urahnen im Südwesten Englands
Eine Antwort liefern nun die vergleichenden Analysen der Kaninchengenome. „Wir zeigen, dass diese Invasion trotz zahlreicher Einschleppungen über einen Zeitraum von 70 Jahren durch eine einzige Freisetzung einiger weniger Tiere ausgelöst wurde, die sich tausende Kilometer weit über den Kontinent ausbreiteten“, berichten die Forscher. Als Urheber dieser Population identifizierten sie die von Austin im Jahr 1859 eingeführten Kaninchen.
„Es ist uns gelungen, die Abstammung von Australiens invasiver Population bis in den Südwesten Englands zurückzuverfolgen, wo Austins Familie die Kaninchen 1859 sammelte“, sagt Alves. Historischen Aufzeichnungen zufolge schickte Austins Familie ihm im Oktober 1859 sechs Wildkaninchen und sieben Hauskaninchen, die sich bereits während der Überfahrt nach Australien vermehrten, so dass 24 Tiere ankamen.
Die Forscher stellten fest, dass passend zu diesem Bericht tatsächlich alle heutigen Kaninchen in Australien genetische Anteile von Wild- und Hauskaninchen aufweisen. Überdies zeigte sich, dass die genetische Vielfalt in der Nähe von Austins Anwesen am größten war – ein starker Hinweis, dass hier der Ursprung der Population liegt.
Wildkaninchen-Erbe als Erfolgsfaktor
Warum aber konnten sich Austins Kaninchen innerhalb kurzer Zeit über ganz Australien ausbreiten, während früher eingeführte Exemplare allenfalls kleine lokale Populationen bildeten? „Wir argumentieren, dass der entscheidende Faktor die Ankunft eines neuen Genotyps war, der besser an die natürlichen Gegebenheiten angepasst war“, schreiben die Autoren.
Die zuvor eingeführten Exemplare werden in historischen Berichten als zahme Haustiere mit Schlappohren und ausgefallenen Fellfarben beschrieben. „Es gibt zahlreiche Merkmale, die dazu führen könnten, dass verwilderte Hauskaninchen schlecht an das Überleben in der Wildnis angepasst sind“, erklärt Koautor Francis Jiggins von der University of Cambridge. „Es ist möglich, dass ihnen die genetische Variation fehlte, die für die Anpassung an das trockene und halbtrockene Klima Australiens erforderlich ist.“
Austins Tiere dagegen waren zumindest zum Teil Wildkaninchen. „Es ist also möglich, dass die Wildkaninchen von Thomas Austin und ihre Nachkommen einen genetischen Vorteil hatten, wenn es darum ging, sich an diese Bedingungen anzupassen“, so Jiggins.
Biologische Invasionen verstehen
Den Autoren zufolge zeigen die Ergebnisse, dass bei biologischen Invasionen nicht nur Faktoren wie Umweltbedingungen und Anzahl der eingeführten Exemplare eine Rolle spielen, sondern auch der Einfluss der Genetik nicht zu unterschätzen ist. „Biologische Invasionen sind eine große Bedrohung für die weltweite Artenvielfalt und wenn man sie verhindern will, muss man verstehen, was sie erfolgreich macht“, sagt Alves.
Bei den australischen Kaninchen ist dies nun gelungen: „Umweltveränderungen mögen Australien anfällig für Invasionen gemacht haben, aber es war die genetische Ausstattung einer kleinen Gruppe von Wildkaninchen, die eine der bedeutendsten biologischen Invasionen aller Zeiten ausgelöst hat“, erklärt der Forscher. „Dies erinnert uns daran, dass die Handlungen einer einzigen Person oder einiger weniger Personen verheerende Auswirkungen auf die Umwelt haben können.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022, doi: 10.1073/pnas.2122734119)
Quelle: University of Cambridge, PNAS