Forscher haben aufgeklärt, wie die hochspezialisierten Flugmuskeln von Fliegen und anderen Insekten entstehen: Nur ein Genschalter sorgt dafür, dass sich statt normaler Muskeln die Fasern bilden, die die superschnellen Bewegungen der Insektenflügel ermöglichen. Das spalt-Gen schalte das gesamte genetische Programm um, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“. „Wenn es fehlt, dann bilden sich anstelle von Flugmuskeln lediglich normale Beinmuskeln aus“, sagt Studienleiter Frank Schnorrer vom Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in Martinsried bei München.
Fliegen können sich nur deshalb so effizient in der Luft halten und wendige Manöver ausführen, weil ihre Flügel rasend schnell schlagen: 200 Mal pro Sekunde bewegen sie sich auf und ab. Diese schnelle Bewegung verursacht auch das typische Brummen von Fliegen und vielen anderen Insekten.
Möglich werden solche schnellen Bewegungen nur durch speziell konstruierte Flugmuskeln: Ihr Zusammenziehen wird nicht wie bei anderen Muskeln nur durch Nervenimpulse gesteuert, sondern zusätzlich durch Spannung: Wird der obere Flugmuskel gedehnt, weil die Flügel gerade nach unten schlagen, reagiert er sofort darauf mit einer Kontraktion und zieht die Flügel sofort wieder in die Höhe. Ähnlich reagiert auch der untere Flugmuskel. Um so reagieren zu können, sind die Flugmuskeln anders aufgebaut als normale Muskelfasern.
Spalt-Gen ist für Unterschiede verantwortlich
Dass das Spalt-Gen für diese Unterschiede verantwortlich ist, fanden die Wissenschaftler durch gezielte Genveränderungen bei Fruchtfliegen heraus. Sie stellten fest, dass dieser Genschalter in den Flugmuskeln vorhanden sein muss, um die besonderen Muskelfasern zu erzeugen.
Das neu identifizierte Kontrollgen finde sich aber nicht nur bei Fliegen, sondern auch bei Wespen und Käfern. „Das deutet daraufhin, dass das Spalt-Gen in allen Insekten vorhanden ist, die diese spannungsaktivierten Flugmuskeln besitzen“, sagen die Forscher. Der Genschalter habe sich über mehr als 280 Millionen Jahre der Evolution nahezu unverändert erhalten.
Spalt-Gen auch im menschlichen Herzmuskel vorhanden
Nach Ansicht der Forscher könnte das Spalt-Kontrollgen auch für die Medizin relevant sein. Denn es komme sowohl beim Menschen als auch bei anderen Säugetieren im Herzmuskel vor.
Ähnlich wie die Flugmuskeln der Insekten reagieren auch bestimmte Fasern des Herzmuskels auf Spannung. Sie sorgen dafür, dass sich das Herz besonders kräftig zusammenzieht, wenn es mit viel Blut gefüllt ist. „Die Spannung in der Herzkammer beeinflusst die Stärke des Herzschlags“, sagt Schnorrer. Ob das Spalt-Gen neben der Muskelbildung auch die Regulation des Herzschlags beeinflusse, sei bisher allerdings nicht bekannt und müsse erst noch erforscht werden. (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10559)
(Nature / dapd, 18.11.2011 – NPO)