Biologie

Wie stark gefährden Wind- und Solaranlagen Vögel?

Todesfälle durch Kollisionen können Wachstum ganzer Populationen beeinträchtigen

Windkraftanlage
Windkraftanlagen können Vögel gefährden. Wie stark sich dies auswirkt, haben US-Forscher untersucht. © milehightraveler/ Getty images

Tödliche Fallen: Wenn Vögel durch Kollisionen mit Windrädern oder Solaranlagen sterben, dann hat dies nicht nur Auswirkungen auf die einzelnen Tiere, wie eine Studie aus den USA enthüllt. Bei knapp der Hälfte der untersuchten Vogelarten stellten die Forschenden auch einen negativen Effekt auf Populationsebene fest, bei fünf der 23 Vogelarten gingen die Beeinträchtigungen sogar über die lokalen Bestände hinaus – vermutlich, weil ähnlich wie bei Fledermäusen auch Zugvögel betroffen sind.

Erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik gelten als wichtige Alternativen zu klimaschädlichen fossilen Brennstoffen. Doch auch diese Anlagen haben Umweltfolgen und können sogar direkt zum Tod von Tieren führen. So sterben jedes Jahr tausende von Fledermäusen durch Kollisionen mit den Rotoren, dabei sind vor allem Jungtiere und saisonal wandernde Arten betroffen, wie Studien belegen. Aber auch Vögel werden häufig Opfer von Windrad-Kollisionen.

Effekte auf Populationsebene

Ein Team um Tara Conkling vom Forest and Rangeland Ecosystem Science Center in Boise, Idaho, hat nun die Auswirkungen der erneuerbaren Energieproduktion in Kalifornien auf die Vogelwelt untersucht. „An Wind- und Solarenergieanlagen werden regelmäßig tote Vögel und Fledermäuse gefunden“, schreiben die Forscher. „Die Auswirkungen auf Populationsebene sind jedoch bei fast allen Arten unklar.“

Um diese Effekte abschätzen zu können, klassifizierten Conkling und ihre Kollegen 23 Vogelarten, von denen tote Individuen an Wind- und Solarenergieanlagen gefunden worden waren, nach ihrer Vulnerabilität. Zu den untersuchten Arten zählten Greifvögel wie Adler, Eulen und Falken, Singvögel wie Lerchen, Waldsänger und Kolibris sowie verschiedene Wasservögel. Zudem berücksichtigten Conkling und ihre Kollegen sowohl Zugvögel als auch Arten, die in der Region heimisch sind.

Auswirkungen über den Standort hinaus

Für ihre Analyse kombinierten die Forscher mehrere Methoden: Zum einen sammelten sie an verschiedenen Wind- und Solaranlagen in Kalifornien Federn von zu Tode gekommenen Vögeln. Anhand von Isotopenanalysen bestimmten sie, ob das jeweilige Individuum aus dem Umkreis der Anlage stammte oder aus weiter entfernten Regionen. Für jede der 23 untersuchten Arten schätzten sie zudem die Populationsgröße ab und stellten ein demografisches Modell auf, das die Fortpflanzungsrate und das Populationswachstum abbildete.

Dabei zeigte sich: Die Auswirkungen auf Vogelpopulationen reichen weit über den Standort der jeweiligen Anlage hinaus. Insbesondere bei Zugvögeln leiden auch weit entfernt lebende Populationen unter Verlusten, die beispielsweise durch Kollisionen mit Windrädern oder Solarzellen auf ihrer Wanderroute zustande kommen.

Zusätzliche Todesfälle zu erwarten?

Davon ausgehend, dass erneuerbare Energien in Kalifornien in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden, schätzten die Forscher mit Hilfe statistischer Methoden ab, wie gravierend es für die jeweilige Vogelpopulation wäre, wenn jährlich 1.000 oder 5.000 Individuen zusätzlich sterben würden. Diese Todeszahlen sind den Forschern zufolge deutlich höher, als bei einer einzelnen neuen Anlage zu erwarten ist. Ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien könne aber womöglich Vogelschäden in diesem Bereich verursachen.

Für elf von 23 Spezies stellten Conkling und ihre Kollegen fest, dass die angenommenen zusätzlichen Todesfälle deutliche Einbußen bei der Wachstumsrate der Population bedeuten würden und die Population somit gefährden würden. Bei fünf dieser Spezies, darunter Schleiereule und Steinadler, könnten den Berechnungen zufolge sowohl lokale als auch weiter entfernt lebende Subpopulationen betroffen sein, bei den übrigen wären vor allem lokale Subpopulationen gefährdet.

Vogelschäden begrenzen

Um die schädlichen Auswirkungen auf die Vogelwelt so gering wie möglich zu halten, sollten aus Sicht der Forscher bei der Planung neuer Anlagen nicht nur die Auswirkungen auf lokale Populationen berücksichtigt werden, sondern insbesondere auch auf Zugvögel. Beispielsweise befand sich eine der von ihnen untersuchten Solaranlagen in der Nähe eines wichtigen Brutgebiets für zahlreiche Sing- und Wasservögel.

„Zukünftige Entscheidungen zum Standort neuer Anlagen sowie zu Maßnahmen, um Vogelschäden zu begrenzen, werden am effektivsten sein, wenn sie sowohl die lokalen als auch die nichtlokalen Auswirkungen auf wichtige Vogelarten berücksichtigen“, schreiben die Autoren. Zudem seien weitere Forschungen erforderlich, um spezifische Gefahrenpotenziale näher zu beleuchten und bei neuen Anlagen möglichst zu vermeiden. (Royal Society Open Science, 2022, doi: 10.1098/rsos.211558)

Quelle: Royal Society

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