Frühe Wanderer: Schon vor 120.000 Jahren zogen Vertreter des Homo sapiens durch das Innere der Arabischen Halbinsel. Davon zeugen menschliche Fußspuren, die Forscher in der Nefud-Wüste in Saudi-Arabien entdeckt haben. Sie sind der älteste Beleg für die Präsenz des Menschen in dieser Region und bestätigen, dass der Homo sapiens Afrika auch über Arabien verließ. Auch hunderte Abdrücke von Elefanten, Kamelen und anderen Tieren sind an der Fundstelle konserviert.
Heute ist die Arabische Halbinsel von Wüsten geprägt, vor allem ihr Inneres ist kaum bewohnbar. Doch vor rund 20.000 bis 80.000 Jahren war das Klima in dieser Region feuchter und milder – und eröffnete unseren Vorfahren neben der Levante einen zweiten Durchzugskorridor von Afrika nach Eurasien. Funde von Steinwerkzeugen und menschlichen Fossilien belegen, dass der Homo sapiens schon vor mindestens 100.000 Jahren auf der Arabischen Halbinsel präsent war.
Hunderte Fußabdrücke in einem alten Seebett
Jetzt erhärten neue Funde dieses Bild: In der Wüste Nefud in Saudi-Arabien haben Forscher um Matthew Stewart vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena eine Ansammlung von hunderten fossilen Fußspuren entdeckt – darunter auch sieben menschliche Abdrücke. Die Spuren waren vor rund 120.000 Jahren im feuchten Uferbereich eines prähistorischen Sees hinterlassen worden.
„Wir erkannten sofort das Potenzial dieser Funde“, sagt Stewart. „Fußabdrücke sind eine einzigartige Form fossiler Beweise, da sie Momentaufnahmen aus der Vergangenheit liefern“. Nähere Untersuchungen enthüllten, dass ein Großteil der 376 Abdrücke von großen Pflanzenfressern wie Elefanten, Pferden, Kamelen und Antilopen stammte. Ihre Präsenz zeugt davon, dass diese Gegend vor 120.000 Jahren fruchtbar und wasserreich gewesen sein muss.
120.000 Jahre alte Spuren des Homo sapiens
Das Entscheidende jedoch: Sieben dieser fossilen Fußspuren stammen von Menschen. Aufgrund ihrer Größe und Form schließen die Wissenschaftler, dass es sich um Abdrücke des Homo sapiens handeln muss. Denn Neandertaler gab es damals auf der Arabischen Halbinsel nicht. „Die Fußabdrücke, die wir gefunden haben, stammen deshalb höchstwahrscheinlich von Angehörigen unserer Spezies, Homo sapiens“, sagt Stewart.
Damit sind diese Fußabdrücke der älteste Beleg für die Präsenz unserer Vorfahren auf der Arabischen Halbinsel, wie die Forscher erklären. „Die Anwesenheit großer Tiere, wie Elefanten und Flusspferde, sowie offenes Grasland und große Wasservorkommen könnte Nordarabien zu einem besonders attraktiven Ort für Menschen gemacht haben, die zwischen Afrika und Eurasien hin und her zogen“, sagt Koautor Michael Petraglia vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.
Nur auf der Durchreise?
Was unsere Vorfahren in dieser Gegend taten, ist noch unklar. „Wir wissen zwar, dass Menschen den See besuchten, aber das Fehlen von Steinwerkzeugen oder Funden, die auf die Verwendung von Tierkadavern hinweisen, legen nahe, dass ihr Besuch am See nur kurz gewesen sein muss“, sagt Stewart. Auch die Tierknochen zeigen keine Spuren einer menschlichen Bearbeitung oder Zerlegung. Möglicherweise waren diese Vertreter des Homo sapiens nur auf der Durchreise, beispielsweise im Rahmen von saisonalen Wanderungen. Sie könnten auch aus der nördlich liegenden Levante in diese Gegend gekommen sein, da damals ein fruchtbarer Korridor beide Gebiete verband.
Von den menschlichen Fußspuren der Alathar-Fundstätte liegen vier nahe beieinander am südwestlichen Rand des Urzeitsees. „Angesichts ihrer gleichen Ausrichtung, ihrer Abstände voneinander und der unterschiedlichen Größen gehören sie wahrscheinlich zu zwei oder drei Individuen, die gemeinsam hier entlanggingen“, erklären Stewart und sein Team. Ob diese Menschen am See Wasser schöpften, nach Nahrung suchten oder einfach nur rasteten, wissen sie nicht.
„Out of Africa“ auf zwei Wegen
Insgesamt legen diese Funde nahe, dass die Arabische Halbinsel und auch ihr Norden während der letzten Zwischeneiszeit von Menschen besucht und genutzt wurde. Gleichzeitig bestätigen die Spuren, dass der Homo sapiens schon vor 120.000 Jahren Afrika verlassen hatte und sowohl in der Levante als auch in Arabien präsent war. (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aba8940)
Quelle: Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Science Advances