Umwelt

Blei war zuerst am Südpol

Industrielle Verschmutzung erreichte den Pol Jahrzehnte vor den ersten Menschen

Erste Menschen am Südpol: Roald Amundsen und seine Begleiter im Dezember 1911. © Olav Bjaaland / gemeinfrei

Wettlauf zum Pol? Den haben eindeutig die menschlichen Schadstoffe gewonnen: Schon mehr als 20 Jahre vor den ersten Entdeckern erreichten sie den Südpol, wie Bohrkerne aus dem antarktischen Eis zeigen. Die Blei-Belastung stieg dort schon vor Beginn der Industrialisierung deutlich an. Die Analysen ergaben aber auch, dass die Verschmutzung heutzutage wieder abnimmt – allerdings sehr langsam.

Roald Amundsen und Robert Scott lieferten sich vor über hundert Jahren einen dramatischen Wettlauf zum Südpol. Der Schnee, über den sie dabei im Südsommer 1911/12 marschierten, trug jedoch offenbar schon menschengemachte Verunreinigungen in sich. Ein internationales Forscherteam hat nun den zeitlichen Verlauf solcher Verunreinigungen in der Antarktis rekonstruiert.

Schwermetall als Marker für Abgase

Die Wissenschaftler um Joe McConnell vom Desert Research Institute (DRI) im US-Bundesstaat Nevada haben 16 Eisbohrkerne von weit über die Antarktis verteilten Orten, einschließlich des Südpols selbst, auf den Bleigehalt des Eises untersucht. Daraus erstellten die Wissenschaftler die bislang genaueste Rekonstruktion, wie sich die Bleiverschmutzung auf dem südlichsten Kontinent der Erde ausbreitete: Von 2010 reichen die Daten zurück bis ins Jahr 1600.

Bleiverschmutzung in der Antarktis: Zur Zeit der Industrialisierung erfolgt ein drastischer Anstieg. © Desert Research Institute

„Unsere neuen Aufzeichnungen zeigen den dramatischen Einfluss industrieller Aktivitäten“, sagt Studienleiter McConell. Demnach waren Blei-Kontaminationen bereits mehr als zwei Jahrzehnte vor den ersten Entdeckern am Südpol über die ganze Antarktis verteilt. Blei kommt in der Atmosphäre normalerweise nur in extrem geringen Konzentrationen vor. Das giftige Schwermetall ist daher ein sehr gut geeigneter Marker für Verunreinigungen durch industrielle Abgase.

Australisches Blei in der Antarktis

Die Forscher konnten den Ursprung des Bleis in der Antarktis sehr genau datieren: In den späten 1880er Jahren springen die Werte um etwa das Sechsfache nach oben. „Das ist zeitgleich mit dem Beginn des Blei-Abbaus am Broken Hill in Südaustralien, und der Verhüttung im nahegelegenen Port Pirie“, erklärt Koautor Paul Vallelonga von der Universität Kopenhagen. Zusätzlich zum passenden Zeitpunkt deutet auch eine charakteristische Isotopenverteilung in den Bleiablagerungen auf genau diese beiden Orte als Quelle des Schwermetalls in der Antarktis hin.

Probennahme eines Eisbohrkerns in der Ost-Antarktis. © Stein Tronstad

Der berühmte Wettlauf zum Südpol fand dagegen erst rund 22 Jahre später statt, im Jahr 1911. „Die Vorstellung, dass Amundsen und Scott über Schnee marschierten, der durch Bleiabbau und -Verhüttung in Australien kontaminiert war, ist überraschend“, so McConell. Die von den australischen Minen ausgehende Bleibelastung hatte den Forschungsergebnissen zufolge bereits damals ein Ausmaß, das bis heute anhält.

Anhand der im Eis eingeschlossenen Verunreinigungen lassen sich auch zeitliche Schwankungen erkennen: Im Zeitraum von 1900 bis 1920 erreichen die Werte ihren Höchststand, den sie dann lange beibehielten. Lediglich zur Zeit der großen Wirtschaftskrise und zum Ende des Zweiten Weltkriegs sanken sie kurzfristig ab, dann folgte wieder ein drastischer Anstieg bis 1975.

Umweltschutz zeigt langsam Wirkung

Erst seit Anfang der 1990er sinkt der Gehalt des Umweltgiftes in der Atmosphäre über der Antarktis wieder: Die verbreitete Einführung von bleifreiem Benzin und wachsende Umweltschutzbemühungen auf der Südhalbkugel zeigen Wirkung. Dennoch sind die Bleiwerte immer noch viermal so hoch wie vor der Industrialisierung.

„Unsere Messungen zeigen, dass ungefähr 660 Tonnen industrielles Blei während der letzten 130 Jahre auf die schneebedeckten Flächen der Antarktis niedergingen“, sagt McConnell, und fasst zusammen: „Während das jüngste Ausmaß der Kontamination zwar niedriger ist, hält die nachweisbare industrielle Verunreinigung des antarktischen Kontinents bis heute an – vor uns liegt noch ein langer Weg.“

(Desert Research Institute (DRI), 28.07.2014 – AKR)

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