Geowissen

Erloschene Tiefseevulkane dämpfen Erdbeben

Geologen finden Erklärung für überraschend schwaches Chile-Beben im April 2014

Das Erdbeben am 1. April 2014 schickte einen Tsunami von der chilenischen Küste über den ganzen Pazifik - aber es war schwächer als befürchtet. © NOAA / gemeinfrei

Gedämpftes Beben statt großer Knall: Im Norden von Chile wirken erloschene Vulkane am Meeresboden als Erdbeben-„Bremse“. Sie verformen die Grenzfläche zwischen den dort zusammenstoßenden Erdplatten und verhindern so größere Spannungen in diesem Erdbeben-Risikogebiet. Dadurch fiel das letzte große Beben in der Region nicht noch zerstörerischer aus, berichten Geologen im Magazin „Nature Communications“. Das nächste Starkbeben in dieser seismischen Lücke ist dennoch nur eine Frage der Zeit.

Chile gehört zu den am stärksten von Erdbeben gefährdeten Ländern der Erde – entlang der Küste des südamerikanischen Landes schiebt sich die tektonische Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte. Dabei kommt es oft zu Starkbeben mit Tsunamigefahr: Erst vor kurzem bebte der Meeresboden direkt vor der Küste auf Höhe der Stadt Coquimbo. Dabei starben mindestens elf1 Menschen, tausende mussten evakuiert werden. Ein Tsunami mit Wellenhöhen von bis zu viereinhalb Metern schlug gegen die Küste.

Starkbeben in der seismischen Lücke

Besonders im Norden Chiles in der Nähe der Region Iquique erwarten Experten schon länger eines der nächsten Mega-Erdbeben. Doch als dort im Frühjahr 2014 die Erde schwankte, waren Stärke und räumliche Ausdehnung des Bebens deutlich kleiner als befürchtet. Das Hauptbeben am 1. April erreichte immerhin eine Momenten-Magnitude von 8,1 und löste einen Tsunami aus. Das ist zwar bereits ein sehr heftiges Beben, doch Experten waren überrascht, dass es nicht noch stärker ausfiel. Außerdem betraf es ein kleineres Gebiet als erwartet.

Denn während es an der restlichen Küste immer wieder heftige Erdbeben gab, fand in der etwa 550 Kilometer langen „seismischen Lücke“ bei Iquique seit 1877 kein größeres Beben statt. Zunächst hielten Seismologen das Erdbeben vom 1. April 2014 für dieses erwartete Mega-Beben. „Doch es betraf nur den mittleren Abschnitt der Lücke und blieb deutlich unter der erwarteten Magnitude von bis zu 9,0“, sagt Jacob Geersen vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel.

Erdbeben im Bereich der "seismischen Lücke": Das Beben von 2014 hat die Spannungen nicht vollständig abgebaut. © GEOMAR / GEBCO world map

Ehemalige Vulkane stören die Grenzfläche

Geersen und seine Kollegen haben nach den Ursachen dafür gesucht, warum dieses Erdbeben so unerwartet gering ausfiel. Dazu haben sie sich den Meeresboden vor Nordchile genauer angesehen. Zusätzlich werteten sie seismische Daten aus, die die Struktur des Untergrundes zeigen. „Dabei zeigte sich, dass der Meeresboden auf der Nazca Platte in der betroffenen Region nicht eben ist, sondern dass dort zahlreiche, teilweise mehrere tausend Meter hohe erloschene Vulkankegel stehen“, beschreibt Loautor César R. Ranero vom Institut of Marine Sciences (CSIC) in Barcelona.

Diese Unterwasserberge, sogenannte „Seamounts“, werden zusammen mit der Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte geschoben. „In den seismischen Daten können wir deutlich mehrere ehemalige Seamounts erkennen, die jetzt an der Grenzfläche zwischen beiden Platten liegen und die diese Grenzfläche sowie die darüber liegende Südamerikanische Platte deformieren“, sagt Geersen. Bei dieser Deformierung entstehen Störungen entlang der Grenzfläche. Diese sorgen dafür, dass sich dort weniger Spannung aufbauen kann. „Außerdem haben die Seamounts die räumliche Ausbreitung des Bruchs, der bei dem Iquique-Beben entstand, wahrscheinlich aufgehalten“, fügt der Geologe hinzu.

Immer noch Potenzial für schweres Beben

Obwohl die Erdstöße im Frühjahr 2014 einen Teil der Spannung abgebaut haben, ist die Gefahr eines Megabebens in der seismischen Lücke vor Nordchile nicht gebannt. „Berechnungen ergeben im nördlichen und südlichen Teil der seismischen Lücke zusammen immer noch das Potenzial für ein Beben mit einer Magnitude größer als 8,5“, sagt Geersen. Deshalb beobachten Wissenschaftler aus der ganzen Welt die Region weiter sehr aufmerksam.

Ende 2015 wird auch ein Team des GEOMAR mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE vor der Küste Chiles im Einsatz sein, um hochpräzise Vermessungseinrichtungen am Meeresboden zu platzieren, die auch kleine Bewegungen des Untergrundes registrieren. „Wir können Erdbeben weder verhindern noch genau vorhersagen. Aber je mehr wir über sie lernen, desto besser kann man Risiken einschätzen und entsprechende Vorkehrungen treffen“, fasst Geersen zusammen. (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms9267)

(GEOMAR, 30.09.2015 – AKR)

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